Die Farbe des Himmels
Unternehmen konnten sich halten. Deshalb haben wir auch seit einiger Zeit eine Produktionsstätte in Tschechien. Trotz der allgemeinen Wirtschaftskrise sind der gute Ruf unseres Familienunternehmens und die hohe Qualität unserer Produkte aber unverändert geblieben.«
»Wie viele Mitarbeiter sind in der Firma beschäftigt?«, fragte Thea.
»In unserem Stammsitz in Kirchheim arbeiten zweihundertfünfzig Mitarbeiter in der Produktion. Hier in der Verwaltungszentrale sind die Entwicklungs- und Vertriebsabteilung mit zweiundachtzig qualifizierten Mitarbeitern untergebracht. In Tschechien sind es noch mal einhundertzwanzig. Unsere Geschäftsbeziehungen sind auf einige weltweit bekannte Modefirmen konzentriert, wie zum Beispiel Chanel, Christian Dior oder Armani. Wenn Sie möchten, können Sie sich gerne unsere Ausstellung anschauen.« Klenk beugte sich vor und griff nach einer Flasche Mineralwasser. Die Halogen-Spot-Lampen spiegelten sich in den Gläsern seiner Goldrandbrille.
»Danke, vielleicht ein anderes Mal«, sagte Messmer.
Thea befühlte ihren Rucksack nach dem Diktiergerät, bis ihr einfiel, dass es noch auf ihrem Schreibtisch im Präsidium lag. Seufzend zog sie ihr Notizbuch hervor.
»Die Geschäftslage von ›Merkle & Hausen‹ ist trotz der Krise glänzend«, redete Walter Klenk weiter. »Herr Hauser hatte großen Anteil an diesem Erfolg. Sein Charisma und seine Kompetenz bescherten der Firma Beziehungen bis in den europäischen Hochadel und die Politik. Sein plötzlicher Tod trifft uns und unsere Partner bis ins Mark.«
»Frau Hauser sagte uns, dass sie für die Exportgeschäfte zuständig ist. Hat sie noch andere Aufgaben?«
»Frau Hauser hat Einblick in alle Unterlagen und Vorgänge. Sie und ihr Vater, Herr Alfons Merkle, sind die eigentlichen Firmeninhaber. Herr Hauser war nur Geschäftsführer.« Klenks Stimme wurde immer leiser.
»Wie? Besaß er denn keine Firmenanteile?«, fragte Messmer verwundert.
Walter Klenk rieb sich unruhig die Hände. »Bis vor einigen Monaten hatte Herr Hauser zehn Prozent der Anteile gehalten.«
»Bis wann genau?« Thea sah von ihrem Notizblock hoch.
Klenk räusperte sich. »Bis März.«
»Aber als Geschäftsführer hatte er sicher Zugriff auf die Konten«, bohrte Messmer weiter.
Der Prokurist schob seine Brille hoch und blinzelte. »Darüber müssten Sie mit der Chefin selbst sprechen. Ich bin nicht befugt, über Privatangelegenheiten zu reden«, sagte er steif.
»Das klingt, als hätte er ganz schön unter dem Pantoffel gestanden«, sagte Thea augenzwinkernd.
»Das würde ich nicht so sehen«, sagte Klenk und schenkte den beiden ein verlegenes Lächeln, das so falsch war wie seine ebenmäßigen Zähne.
Messmer suchte Theas Blick. Sein Gesicht war das personifizierte Fragezeichen.
»Seit wann war Herr Hauser in der Firma?«, fragte Thea.
»Seit Ende der sechziger Jahre. Er arbeitete anfangs in der Verkaufsabteilung in Kirchheim. Weil er ein unfehlbares Gespür für Modetrends hatte, holte Herr Merkle ihn in die Firmenzentrale nach Stuttgart. Kurz darauf wurde er Vertriebsleiter. Ich habe damals schon hier gearbeitet und kann mich gut an seine Hochzeit mit Helene Merkle erinnern.«
»Und wann wurde er Geschäftsführer?«
»Das ist etwa fünfzehn Jahre her sein, als Herr Merkle diesen Unfall hatte, der ihn an den Rollstuhl fesselte. Herr Merkle war durch Krankenhaus und Reha-Aufenthalte lange Zeit aus dem Geschäft, und Herr Hauser hat seine Aufgaben übernommen.«
»Was war denn das für ein Unfall?«, fragte Messmer, der nicht zu merken schien, wie er einen Vollkornkeks zwischen den Fingern zerbröselte. Frau Sauer blickte pikiert auf die Krümel, die auf den makellosen Teppich rieselten.
»Herr Merkle war mit Herrn Hauser geschäftlich unterwegs. Sie kamen aus der Schweiz, als auf der Autobahn ein Reifen platzte.« Klenk nahm seine Brille ab und rieb sich den Nasenrücken. »Herr Hauser hatte Glück und kam mit leichten Verletzungen davon. Herrn Merkle dagegen hat es schwerer erwischt. Das kann man aber auf keinen Fall Herrn Hauser anlasten.«
»Dann lenkte er also den Wagen?« Messmer legte den Keksrest endlich auf den Tisch und machte einen halbherzigen Versuch, die Krümel zusammenzufegen.
»Ich hoffe, Sie ziehen keine falschen Schlüsse daraus«, beeilte sich Klenk zu sagen.
»Wie käme ich dazu«, beschwichtigte ihn Messmer. »Nur Gutes über die Toten.«
»Wirkte Herr Hauser in der letzten Zeit irgendwie verändert?« fragte Thea an Sabine
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