Die Farbe des Himmels
an das Kind aus der Babyklappe, seine winzigen Hände, die hilflos in die Luft griffen, das kleine, gierig saugende Mündchen und die fest zusammengekniffenen Augen. Sic starrte auf das grüne Wasser des Feuersees, in dem sich die herabhängenden Zweige der Trauerweiden spiegelten, bis sie merkte, dass sie das alles nur noch durch einen Tränenschleier wahrnahm.
Thea weinte um das ausgesetzte Baby, ohne sich bewusst zu sein, dass ihre Tränen nicht allein diesem Kind galten.
Als sie zur Dienststelle zurückkam, berichtete Kümmerle gerade von seinem Besuch bei Helene Hauser.
»Nicht ums Verrecken will ich mit der verheiratet sein, da bleib ich lieber arm. Die Frau ist glatt wie ein Marmorblock, ich hätte mich genauso mit der Statue im Wintergarten unterhalten können. Erst als ich ihr von meinem Telefonat mit dem Empfangschef des Hotels in Lugano erzählt hab, taute sie ein bisschen auf.«
»Du hast ihr sicher eine gute Suggestivfrage gestellt«, argwöhnte Messmer.
»Freilich. Ein Schuss ins Blaue, der getroffen hat. Ich hab sie gefragt, ob sie das normal findet, mit einem Geschäftspartner ein Doppelzimmer zu nehmen. Da hat sie schließlich zugegeben, mit diesem Maschio ein Verhältnis zu haben.«
»Wahrscheinlich ist sie sogar stolz darauf, so einen jungen Galan zu haben, auch wenn er nur hinter ihrer Kohle her ist«, sagte Messmer. »Mir wäre das eher peinlich.«
»Dir ist noch was peinlich?«, wunderte sich Thea.
»Wie hat sie denn reagiert, nachdem du sie überführt hast?«, fragte Messmer, ohne auf Theas Bemerkung einzugehen.
»Sie ging natürlich sofort in Abwehrhaltung und meinte, was ihr Mann sich erlaubt habe, könne sie schließlich auch.«
»Was will sie damit sagen?« Messmer kratzte sich mit einem chinesischen Essbesteck hinterm Ohr.
»Das wollte ich auch wissen. Ich zitiere: ›Fragen Sie doch die Antonia Linder. Die hat seit Jahren ein Verhältnis mit meinem Mann. Wussten Sie das nicht? Das pfeifen doch die Spatzen von den Dächern.‹«
»Und wie hast du reagiert?«, fragte Joost grinsend.
»Ich hab ihr gesagt, dass wir üblicherweise keine Spatzen vernehmen. Die Hauser meinte jedenfalls, ihr Mann hätte, solange sie ihn kennt, so ziemlich alles mitgenommen, was einen Rock anhatte.«
»Das geht aber unheimlich an die Substanz«, schmunzelte Messmer. »Vielleicht ist er ja im Alter ruhiger geworden und beschränkte sich auf Antonia Linder und seine Frau.«
»Ha, ous ama Scheißhoufa wird nia koi Suppaschissl«, mischte sich Kübler ein.
»Antonia Linder bestreitet das Verhältnis«, sagte Thea. »Wobei sie uns nicht sehr überzeugt hat.«
»Die klopft ihr schon noch weich«, sagte Kümmerle zuversichtlich.
»Die Linder müssen wir auf jeden Fall noch mal vorladen«, sagte Joost. »Wie weit seid ihr mit ihrer Überprüfung?«
»Ich war vorhin im Olgäle, um ihr Alibi abzuklären.« Thea zog die Kopie der Dienstpläne aus ihrer Mappe. »Sie hatte an dem Tag Spätschicht.«
»Womit sie also am Morgen genügend Zeit gehabt hätte, ihren langjährigen Liebhaber umzubringen. Mi cha, was gab’s in Hausers Firma sonst noch zu erfahren?«
»Der Laden gehört Merkle und seiner Tochter«, erklärte Messmer. »Hauser hatte lediglich einen Anteil von zehn Prozent, obwohl er Hauptgeschäftsführer war. Die Betonung liegt auf ›hatte‹. Es hörte sich so an, als habe er sich zu großzügig aus der Firmenkasse bedient. Seine Frau hat dann im März den Hahn endgültig zugedreht. Als wir ein bisschen nachgestochert haben, machte der Prokurist, gleich eine Kehrtwende. Auch von seiner hübschen Assistentin war nicht mehr zu erfahren. Allerdings haben wir den Seniorchef nicht angetroffen. Genauso wenig wie Hausers Privatsekretärin. Diese beiden Aussagen fehlen uns noch. – Aber das Wichtigste hast du uns bis jetzt verschwiegen, Otti«, drängte Messmer. »Was hat die Hauser zu dem Bild von unserem morgendlichen Besucher gesagt?«
»Tja, das Beste kommt zum Schluss.« Kümmerle klappte sein Notizbuch auf und setzte sich in Positur. »Unser Glatzkopf ist ein alter Bekannter ihres Mannes. Heißt Daniel Lichtenberg, ist Arzt und hatte die nette Angewohnheit, mit Hauser nach Baden-Baden zu fahren und das Kasino reich zu machen.«
Joost pfiff durch die Zähne. »Hast du seine Adresse?«
»Freilich! Er hat eine Praxis am Killesberg, in der Lenbachstraße. Soll dort auch wohnen.«
»Okay.« Joost schob seine Unterlagen zusammen und stand auf. »Den hätte ich gerne heute noch hier. Wie
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