Die Farbe des Himmels
Hauser, dessen Inhalt ich euch nicht vorenthalten möchte«, eröffnete Joost den Rapport. »Er war in einem gewöhnlichen weißen Umschlag, ohne Anschrift oder Poststempel. Ich zitiere:
› Ich habe es endgültig satt, mich noch länger von dir hinhalten zu lassen. Seit dreißig Jahren versprichst du mir das Blaue vom Himmel und vertröstest mich ein ums andere Mal. Jetzt sind meine besten Jahre vorbei, und ich verlange eine Entscheidung.
Das Geld liegt auf meinem Konto bereit. Du kannst es haben. Aber erst will ich Taten sehen. Sobald ich eine Kopie deiner Scheidungsklage in der Hand habe, bekommst du das verdammte Geld und kannst diesem Widerling damit seinen gierigen Rachen stopfen.
Zögere nicht. Wir haben schon zu viel Zeit verloren. Deine Tom.«
»Hört sich an, als ob ihn jemand erpresst hat«, sagte Kümmerle. »Aber wer?«
»Bei dem Wort ›Widerling‹ fällt mir eigentlich nur einer ein«, entgegnete Thea. »Und der sitzt seit gestern in U-Haft.«
»Der wird uns kaum die Wahrheit sagen. Wir brauchen Beweise!«, sagte Messmer. »Die Einzige, von der wir es erfahren könnten, ist Antonia Linder selbst. Verdammt, wie konnte sie uns nur durch die Lappen gehen.«
»Wenn Hauser wirklich erpresst wurde, war das natürlich ihre große Chance, ihn sich zu angeln«, meinte Joost.
»Und wenn sich Hauser gar nicht scheiden lassen wollte?«, fragte Ströbele. »Wäre es da nicht möglich, dass Antonia durchgedreht und ihm den Briefbeschwerer an den Kopf geworfen hat?«
»Denkbar wäre auch, dass Hauser seiner Frau die Scheidung eröffnet hat, beispielsweise am Morgen nach ihrer Rückkehr aus der Schweiz, und sie dann ausgerastet ist«, überlegte Thea.
»Ja, an möglichen Tätern mangelt es uns nicht.« Joost kritzelte die beiden Namen auf das Flipchart. »Lichtenberg ist ein heißes Eisen, aber vom Motiv her sind Antonia Linder und Helene Hauser auch sehr interessant.«
»Habt ihr nun schon eine Vernehmungsstrategie für Lichtenbergs nächstes Verhör ausgetüftelt?«, fragte Koch.
»Wir könnten ihn doch weich kneten und dann guter Bulle – böser Bulle spielen«, schlug Ströbele vor. »Ich bin der gute Bulle und hab auch schon eine Idee, wer den bösen spielen könnte.«
»Wie war eigentlich die Haftrichtervorführung?«, fragte Thea, da der böse Bulle gerade in die Lektüre des Pressespiegels vertieft war und nicht auf Ströbeles Vorschlag einging.
»Lichtenberg war zu keiner Aussage mehr zu bewegen. Meinte nur frech, wir sollen ihm doch beweisen, dass vor ihm kein anderer im Haus war«, berichtete Ströbele.
»Auf dem Video der Überwachungskamera war sonst niemand auf der Straße zu sehen«, warf Thea ein.
»Der Gärtner!«, sagte Koch. »Man sieht ihn zwar nicht über die Straße auf Hausers Seite gehen, aber wenn er nur weit genug ausgeholt hat …«
»Du meinst, er weiß von der Überwachungskamera und wie weit der Winkel reicht?«
»Möglich.« Koch zuckte mit den Schultern.
»Das hätte er nicht geschafft.« Messmer blickte vom Pressespiegel auf. »Lichtenberg wäre ihm in die Quere gekommen. Der Gärtner hat auch freiwillig Speichel abgegeben. Falls er es wirklich gewesen sein sollte, erfahren wir das früher oder später. Es spricht aber nichts dafür.«
»Also gut, außer dem Gärtner und Lichtenberg war niemand zu sehen«, präzisierte Thea.
»Leider nur auf der Straße zwischen der Villa Hauser und dem Haus des Zahnarztes«, stoppte Ströbele ihre Begeisterung. »Die Gartentür war nicht im Aufnahmewinkel. Der Täter kann durchaus von der anderen Seite gekommen sein.«
»Mist!«, entfuhr es Thea. Ströbele hatte natürlich Recht. Darüber hatte sie ja auch schon mit Messmer gesprochen.
»Der Richter macht jetzt aber alles an der DNA fest. Ist Lichtenbergs genetischer Fingerabdruck an der Tatwaffe, bleibt er drin. Wenn nicht, wird er wohl oder übel wieder freikommen.«
»Bis dahin haben wir noch ein bisschen Zeit.« Joost rieb sich die Augen.
Das Faxgerät surrte. Ströbele stand auf und nahm den Bogen heraus.
»Gute Neuigkeiten?«, fragte Thea in einem Anflug von Optimismus.
»Eher nicht. Das ist der Einzelverbindungsnachweis von Hausers Telefonanschluss. Das letzte Telefonat vom Apparat im Arbeitszimmer war ein Anwählversuch am Donnerstag, dem 8. August, um sieben Uhr zwei und vierzig Sekunden. Ziffern sind nicht registriert. Offenbar kam er nicht mehr zum Wählen, weil der Mörder schneller war.«
»Damit hätten wir die genaue Todeszeit«, sagte
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