Die Farbe des Himmels
Messmer.
»Wann genau kam Lichtenberg dort an?«, überlegte Thea.
»Kurz vor halb acht. Bisschen spät, wenn er Hauser zwei Minuten nach sieben umgebracht haben soll«, sagte Joost.
»Vorausgesetzt, die Zeitanzeige der Videokamera geht richtig«, gab Thea zu bedenken.
»Das lässt sich nachprüfen. Aber dann war er es wahrscheinlich wirklich nicht. So gut uns das auch allen gefallen hätte.« Joost öffnete die oberen Hemdknöpfe und fächelte sich mit seinem Klemmbrett Luft zu.
»Hier ist noch was Interessantes.« Ströbele wies auf seine Liste mit den Verbindungsdaten. »Es wurde noch mal von diesem Apparat angerufen, und zwar am Freitag.«
»Die Hauser ruft vom Büroapparat ihres Mannes an? Hat sie denn unten kein Telefon?«
»Vielleicht befürchtet sie, dass es abgehört wird«, mutmaßte Verena Sander.
»Auf jeden Fall müssen wir die Nummer überprüfen.« Joost wollte gerade zum Telefon greifen, als es ihm zuvorkam. Er meldete sich und hörte eine Weile schweigend zu.
»Alles klar. Danke, dass es so schnell ging«, sagte er nach kurzer Zeit und legte auf. »Die Kriminaltechnik war dran. Sie sind mit den Spuren am Briefbeschwerer ein Stück weiter: Die DNA ist eindeutig weiblich.«
Ein paar Sekunden lang sagte niemand ein Wort.
»Mein Glückskeks hat mich schon beim Mittagessen gewarnt, ich soll mich nicht zu früh freuen«, fluchte Koch. »Jetzt weiß ich auch, warum.«
»Haben wir also doch den Falschen gegriffen. Hab ich mir gleich gedacht. Dabei war der mir so schön unsympathisch«, knurrte Kümmerle.
»Kann er es nicht trotzdem gewesen sein?«, fragte Thea. »Wenn er nun einfach keine Spur hinterlassen hat? Vielleicht hatte er Handschuhe an.«
»Möglich ist alles«, sagte Kümmerle. »Aber vor dem Hintergrund dieser neuen Erkenntnis, dass Hauser zwei Minuten nach sieben zum letzten Mal den Telefonhörer abgenommen hat und Lichtenberg erst eine knappe halbe Stunde später gefilmt wurde, müssen wir ihn wieder laufen lassen, ob uns das nun passt oder nicht.«
»Dann konzentrieren wir uns jetzt auf die holde Weiblichkeit«, sagte Koch. »Vermutlich war’s eine seiner zahlreichen Geliebten.«
»Von Helene Hauser haben wir eine Speichelprobe. Habt ihr eine von der Linder bekommen?«, fragte Joost.
»Leider nicht. Sie war äußerst unkooperativ. Den richterlichen Beschluss hab ich inzwischen. Der nützt mir nur im Moment herzlich wenig«, sagte Messmer mürrisch.
»Warum hat sie sich wohl so hartnäckig geweigert?«, fragte Koch. »Kommt euch das nicht komisch vor?«
»Alibi hat sie auch keins«, sagte Thea.
»Ich rufe Triberg an. Wir brauchen schnellstens einen Durchsuchungsbeschluss. Selbst wenn sie nicht zu Hause ist, DNA-Material finden wir sicher.« Joost wählte bereits.
»Wir hätten sie am Freitag gleich mitnehmen sollen«, seufzte Messmer.
»Dazu hatten wir keine Handhabe«, sagte Thea.
»Ich weiß, ich weiß. Aber du siehst ja, jetzt haben wir den Salat!«
»Triberg lässt einen Durchsuchungsbeschluss ausstellen.« Joost legte den Hörer auf. »Er sagt, in ein bis zwei Stunden müsste er fertig sein. Übernimmst du das, Otti? Hol ihn am besten gleich beim Amtsgericht ab, das spart Zeit.«
Kümmerle erhob sich schwerfällig. »In Ordnung, da habe ich noch Zeit, um meine Berichte fertig zu schreiben. Wenn noch jemand mitkommt, fahre ich dann vom Amtsgericht gleich nach Degerloch raus. Hätte mir für heute Abend auch was Besseres vorstellen können, als eine Wohnung zu durchsuchen.«
»Ich kann hier nicht rumsitzen, während die Linder uns durch die Lappen geht.« Messmer sprang so abrupt auf, dass sein Stuhl mit einem Knall umfiel. »Ich höre mich jetzt in ihrer Nachbarschaft um. Vielleicht hat ja jemand gesehen, wie sie das Haus verlassen hat. Wenn nicht, klingle ich noch mal bei ihr. Und wehe, ich höre auch nur ein Rascheln in ihrer Wohnung, dann greife ich sie mir. Und wenn ich die Tür eintreten muss!«
*
12. August
Gleich werde ich losfahren, um meine Schwester zu besuchen.
Ich bin nervöser, als ich dachte. Ob sie mich ü berhaupt wiedererkennt? Wir haben uns beinahe dreißig Jahre lang nicht gesehen. Ich versuche, hinter meinem Spiegelbild das junge Mädchen von damals wiederzufinden, aber es will mir nicht gelingen.
Inzwischen habe ich es aufgegeben, meine grauen Haare auszureißen. Ich muss feststellen, dass ich viele Jahre in der Illusion gelebt habe, dass Models nicht älter werden dürfen. Warum nur habe ich das Altern immer als Bedrohung
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