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Die Farbe des Himmels

Die Farbe des Himmels

Titel: Die Farbe des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britt Silvija und Reissmann Hinzmann
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empfunden?
    Wenn man älter wird, kommt einem zu Bewusstsein, dass Kinder fehlen. Und wenn ein perfektes Äußeres das Einzige ist, mit dem man sich identifiziert, hat man Angst, sich aufzulösen, wenn die Falten allmählich überhand nehmen. Glückliche Menschen nennen sie Lachfältchen. Wie heißen sie bei mir?
    Doch ein großer Vorteil des Älterwerdens ist, dass man die Dinge klarer sieht.
    Warum habe ich mir nie erlaubt, mich als verletzlichen Menschen kennen zu lernen? Ich beneide die Italiener um die Fähigkeit, ihre Gefühle wahrzunehmen und sie ohne Scheu zu zeigen. Sofia war in dieser Hinsicht schon immer ganz anders als ich. Solange ich sie kenne, hat sie ihre Emotionen rücksichtslos ausgelebt. Ich konnte das nie.
    Es war eine logische Folge, dass ich Model geworden bin. Ein hohler, gesichtsloser Kleiderständer, nur dazu da, etwas zu präsentieren, das nicht zu mir gehört. Dazu ein Lächeln, das ich wie eine Sonnenbrille beliebig an- und ablegen kann. Schön wollte ich sein und unverwundbar. Wer ahnte schon hinter der perfekten Maske der Francesca Lind die Abgründe von Trauer, Hass und Einsamkeit? Ich habe sie mir wegschminken lassen, bevor ich auf den Laufsteg und vor die Kameras trat. Eine Zeit lang glaubte ich sogar, glücklich zu sein, weil ich Dinge besaß, die andere sich nicht leisten konnten. Welch schwerer Irrtum das doch war. Was nützt einem alles Geld der Welt, wenn man sein Gesicht nicht zeigen kann?
     
    *
     
    Die Nachmittagssonne stand so tief wie der Stimmungspegel der Soko Sonnenberg. Die Kaffeemaschine war gerade zum vierten Mal nachgeladen worden, trotzdem sahen alle müde aus. Dass Lichtenberg nun aus der Haft entlassen worden war, war ein herber Rückschlag für das Team.
    »Ich hab Kopfweh«, stöhnte Verena Sander. »Dieser flimmernde Bildschirm bringt mich um. Haben wir noch Mineralwasser im Kühlschrank?«
    »Des ligt an dr Hitz«, meinte Kübler. »D’ Rosinante hot heid Morga au nix fressa wella, bloss soufa.«
    Böse Zungen behaupteten, dass Kübler an seiner Holsteinerstute mehr hing als an seiner Ehefrau, und Thea vermutete manchmal, dass sie damit gar nicht so Unrecht hatten.
    »Machst du dir denn gar keine Sorgen um sie? Ich würde vorsichtshalber den Doktor rufen, das Vieh ist doch bestimmt bei euch familienversichert!« Kümmerle strich sich erfolglos das wirre Haar aus der Stirn. Die graue Stirntolle, die ein wenig an Rudi Carrell erinnerte, fiel ihm immer wieder wie eine Regenwolke ins Gesicht.
    Kübler schien gerade zu einer Antwort anzusetzen, als Messmer zur Tür hereinplatzte, das Fahrtenbuch auf den Tisch warf und sich auf einen Stuhl fallen ließ.
    »Na, wie war’s?«, fragte Koch.
    »Zuerst hab ich bestimmt zehn Minuten lang an die Tür gehämmert, bis die Nachbarn schon durch die Gardinen spähten. Ihr Auto steht immer noch vor dem Haus. Entweder hat sie sich verbarrikadiert oder aus dem Staub gemacht. Dann hab ich aufgegeben und mich in der Nachbarschaft umgehört.« Messmer zog sein Dienstbuch aus der Hosentasche und klappte es auf. »Eine Frau Kemmner, die ein paar Häuser weiter wohnt, kennt die Familie gut und hat mir bereitwillig Auskunft gegeben. Antonia Linder hat eine jüngere Schwester namens Franziska, die in den siebziger Jahren nach Italien gegangen ist. Sie hat dort Karriere als Model bei Gianfranco Ferré gemacht.« Er sah auf. »Sagt vielleicht jemandem von euch der Name Francesca Lind etwas?«
    »Mit dr Mode han i gar nix am Huot«, sagte Kübler. »I ka kaum mei Pudlmitz vomma Kaffewärmr underschoide.«
    »Wen wundert’s, die sieht ja auch genauso aus«, lästerte Koch.
    »Ich versuche mich zu erinnern, wann ich meine Frau das letzte Mal ohne Kittelschürze gesehen habe«, rätselte Kümmerle.
    »Also bei den Herren werden wir nicht fündig. Vielleicht fällt unseren modebewussten Damen etwas dazu ein?«, fragte Joost.
    »Sorry, den Namen hab ich noch nie gehört. Ich bin erst 1973 geboren, das war noch nicht meine Zeit.« Thea klappte die Akte Lichtenberg zu und schob sie weit von sich.
    »Ich glaube, ich habe da eine schwache Erinnerung«, sagte Verena Sander. »Wenn es die Lind ist, die ich meine, war sie sehr hübsch, ein Twiggy-Typ. Sie sah sogar in diesen schrecklichen Schlaghosen toll aus. Heute müsste sie Ende vierzig sein.«
    »Das würde passen.« Messmer lehnte sich zurück.
    »Wir müssen nur noch rauskriegen, was sie jetzt macht. Es könnte ja sein, dass sie gerade ihre große Schwester bei sich versteckt«, meinte

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