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Die Farbe des Himmels

Die Farbe des Himmels

Titel: Die Farbe des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britt Silvija und Reissmann Hinzmann
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zufällig die Abfahrt bei Follonica verpasst. Ihr Herz klopfte, als sie auf Höhe des kleinen Küstenorts Castiglione della Pescaia kurzerhand den Blinker setzte und den Wagen in die Ausfahrt lenkte.
    Dichte Pinien säumten die Straße, und alle hundert Meter warnte ein Verkehrsschild vor herunterfallenden Zapfen. Die konnten hier die Größe von Kinderköpfen erreichen, hatte Messmer gesagt. Ganz schön gefährliches Pflaster, und das nicht nur wegen der Pinienzapfen, dachte Thea, während sie von einem halben Dutzend Jugendlicher auf Vespas überholt wurde, die sich nicht im Geringsten um die Geschwindigkeitsbegrenzung kümmerten. Wie der Blitz sausten sie vorbei, die Gurte ihrer Helme flatterten im Fahrtwind. Seit kurzem hatte auch Italien endlich die Helmpflicht eingeführt, aber offenbar war dabei nur angeordnet worden, einen Helm aufzusetzen. Davon, ihn auch zuzumachen, schien offenbar nicht die Rede gewesen zu sein.
    Thea gefror fast das Blut in den Adern, als einer der Jungen bei einem gewagten Überholmanöver auch noch sein Handy aus der Tasche zog und zu telefonieren begann.
    Nach ein paar hundert Metern sah sie das Meer endlich vor sich liegen. Die Strahlen der Nachmittagssonne brachen sich auf der spiegelglatten Wasseroberfläche, die wie geschmolzenes Silber glänzte. Es war so schön, dass ihr die Augen brannten.
    Thea fand einen Parkplatz in der Nähe des Hafens, stellte den Corsa ab und lief zum Meer. An der Mole hatten Händler ihre Stände aufgebaut, es roch nach fangfrischem Fisch und Meeresfrüchten. Kinder rannten zwischen den Buden umher und spielten Verstecken. Möwen stritten sich kreischend um die am Boden liegenden Abfälle. Ein Kutter passierte den kleinen Leuchtturm, der am äußersten Ende der Mole stand. Auf beiden Seiten der Hafeneinfahrt breitete sich feinsandiger, goldgelber Strand aus, auf dem sich Liegestühle, Sonnenschirme und die unvermeidlichen Touristen drängten. Es war August – Hochsaison.
    Am Ende der Mole angekommen, ließ Thea ihren Blick schweifen. Im Süden erstreckten sich Pinienhaine so weit das Auge reichte, gesäumt von einem Streifen weißen Sandstrandes. Nördlich waren am Horizont im Dunst die Umrisse der Insel Elba zu erkennen.
    Thea spürte, wie die Müdigkeit in ihr aufstieg. Sie versuchte ihre Rückenschmerzen zu ignorieren, die langsam die Wirbelsäule hinaufkrochen. Seit vier Uhr morgens war sie unterwegs und hatte außer einem ungesunden Frühstück im Schnellimbiss einer Autobahnraststätte nichts gegessen.
    Sie machte kehrt und schlenderte in den alten Ortskern. Dort fand sie ein kleines Restaurant, setzte sich an einen Tisch auf der Terrasse und bestellte eine Pizza, die das Ausmaß eines Wagenrades hatte. Während sie aß, beobachtete sie die Touristen auf der Geschäftsstraße und fühlte, wie sie sich mehr und mehr entspannte. Sie versuchte sich auszumalen, wie ein sonnengebräunter Michael Messmer in Badeschuhen und Bermudashorts hier entlangschlenderte, den kleinen Sohn an seiner Seite. Seine Ex-Frau konnte und wollte sie sich dabei nicht vorstellen. Für sie war in ihrer Phantasie kein Platz.
    Thea schaute auf die Uhr. Nachdem sie ein großzügiges Trinkgeld zur Rechnung gelegt hatte, ging sie zum Auto zurück und fuhr weiter, landeinwärts in Richtung Siena.
     
    Die Auffahrt zur Casa Speranza schlängelte sich in Serpentinen durch den Zypressenhain. Theas alter Corsa holperte in angemessen langsamer Gangart die kopfsteingepflasterte Straße entlang, die bestimmt noch aus der Zeit der alten Römer stammte. Sie war verzaubert von dieser Gegend. Allmählich verstand sie, was ihre Mutter gemeint hatte, als sie in ihr Tagebuch schrieb: »Dies ist eine Landschaft, wo meine Seele gesund werden könnte.«
    Als das einstöckige Natursteinhaus vor ihr auftauchte, setzte ihr Herz einen Moment aus. Das musste es sein. Weit abgelegen stand es auf dem sanft geschwungenen Hügel, von drei hohen Zypressen wie von stummen Wächtern beschützt.
    Thea stellte den Motor ab und stieg aus. Während sie in der Tasche nach dem Hausschlüssel suchte, merkte sie, dass ihre Knie zitterten.
    Hinter dem hohen, schmiedeeisernen Tor lag ein kleiner, gepflegter Garten, der sich bis zum Haus erstreckte. Die Tür war nicht verriegelt und quietschte, als sie eintrat. Ihr Blick fiel auf ein Zitronenbäumchen, das neben der Haustür wuchs. Thea berührte eine pralle, gelbe Frucht und wog sie in der Hand. Einen Moment erwartete sie fast, dass sich die Tür öffnete und ihre Mutter

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