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Die Farbe des Himmels

Die Farbe des Himmels

Titel: Die Farbe des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britt Silvija und Reissmann Hinzmann
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wagte nicht, hinzugehen. Ich wartete und wartete. Dann erfuhr ich von seiner Verlobung mit Helene Merkle und heulte mir die Augen aus dem Kopf. Zuerst versuchte ich, ihn zu vergessen. Nach einigen Monaten war mir klar, dass mir das nicht gelingen würde. Ich war tatsächlich der Meinung, für ihn die einzig richtige Frau zu sein und dass ich ihm nur die Augen öffnen musste, damit er es auch erkannte.
    Es dauerte lange, bis ich den Mut fand, ihn aufzusuchen. Eines Tages ging ich zu seinem Büro. Es war im Herbst 1972, ich habe den Duft des feuchten Laubs auf der Straße vor seinem Firmengebäude noch heute in der Nase. Ich hatte ein wunderschönes Geschenk für ihn dabei – einen Brief beschwerer aus Murano-Glas, den ich von meinem letzten Besuch in Italien mitgebracht hatte. Die Sekretärin wollte mich nicht zu ihm lassen, aber ich rannte einfach an ihr vorbei. Und dann stand er vor mir: In seinem sündhaft teuren Anzug, die Haare streng zurückgekämmt, und die wunderschönen blauen Augen, die ich so sehr liebte, blickten kalt, als würde er eine Fremde anschauen.
    Wolf fuhr mich an, was ich mir dabei denke, hierher zu kommen. Ich solle gefälligst verschwinden, er hätte zu arbeiten. Seine Position würde es ihm nicht erlauben, sich anbiedernde Verehrerinnen in seinem Büro zu empfangen.
    Ich schrie, seine Position hätte ihn schließlich einen Dreck interessiert, als er sich damals mit mir eingelassen hatte. Mir gingen die Nerven durch und ich tobte wie noch nie in meinem Leben. Ich nahm den Briefbeschwerer aus meiner Tasche und warf ihn nach ihm. Was ist diese Kugel doch für ein schicksalhaftes Ding. Hätte sie ihn damals schon am Kopf getroffen und getötet, wäre dir dein Schicksal erspart geblieben. Aber sie verfehlte ihn knapp, schlug auf einen Stuhl und rollte von dort auf den Boden. Sie bekam nur einen Sprung. Wolfs Verhängnis war, dass er sie all die Jahre aufbewahrt hatte – wie eine Trophäe.
    Er packte mich und sagte, ich solle auf der Stelle sein Büro verlassen, aber ich schrie weiter, schlug auf ihn ein und weinte, bis ich nicht mehr konnte und zu Boden sank. Plötzlich tat er sehr besorgt und rief einen Arzt an, der auch bald darauf kam. Du ahnst sicher schon, wer dieser Arzt war. Ja, es war Dali.
    Er diagnostizierte einen hysterischen Anfall und wies mich ins Rudolf-Sophien-Stift, unser »Sanatorium«, ein. Den Rest kennst du.
     
    Und nun schien sich das Schicksal zu wiederholen. Dreißig Jahre danach stand ich wieder in seinem Büro, und er musterte mich verächtlich.
    »Muss ich dich etwa noch einmal einweisen lassen?«, fragte er hämisch.
    Ich fing an zu toben, sprach von dem Leid, das er auch dir z ugefügt hatte, hielt ihm die Vergewaltigung vor, deine Schwangerschaft und wie du unter der Totgeburt gelitten hattest.
    An dieser Stelle lächelte er amüsiert: »Das war doch keine Totgeburt! Antonia hat das Neugeborene verschwinden lassen. Sie ließ Franziska in dem Glauben, das Baby sei tot geboren worden. Das gehörte zu unserem Plan. Und jetzt hau endlich ab, sonst rufe ich die Polizei!«
    Er setzte sich an den Schreibtisch und griff nach dem Telefonhörer. Da legte sich eine kalte Hand um mein Herz. Plötzlich sah ich die Kugel aus Murano-Glas auf dem Tisch, und meine Finger schlossen sich wie von selbst um die kühle glatte Rundung. Ohne eine Sekunde lang nachzudenken, schmetterte ich sie ihm an den Kopf.
    Und diesmal verfehlte ich ihn nicht.
    Ich konnte nicht fassen, was ich da angerichtet hatte. Ich glaube, ich habe einige Sekunden lang nur dagestanden und ihn angestarrt, wie er da reglos auf seinem Schreibtisch lag und das Blut auf die Tischplatte tropfte. Da erst begriff ich, dass ich ihn umgebracht hatte. Ich wollte nur noch weg, bin wie im Wahn die Treppen hinuntergerannt und aus dem Haus gestürzt. Ich glaube, ich habe nicht einmal die Tür hinter mir zugezogen. Obwohl kein Mensch auf der Straße war und ich sicher bin, dass niemand mich gesehen hat, wurde ich erst etwas ruhiger, als ich an der Haltestelle Sonnenberg in die U-Bahn stieg.
    Cara mia, ich weiß nicht, warum ich noch in Stuttgart geblieben bin. Vielleicht wollte ich die Schau erleben, wenn er gefunden wurde. Ein kleines bisschen Genugtuung sei mir vergönnt. Ich nahm mir ein Zimmer in einer Pension am Stadtrand und schwor mir, auch zur Beerdigung zu gehen. Das sollte die Sache für mich endgültig abschließen.
    Auf dem Friedhof wollte ich mich ganz unauffällig am Rande halten. Aber die Neugier trieb mich. Ich

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