Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)
dass dieses kranke Ungeheuer nun bald geschnappt werden würde. Ob er selbst das allerdings noch erleben würde, war fraglich.
Von draußen ertönte ein Rufen. Anscheinend wünschte ein Gast, der aus dem Rusty kam, lautstark eine gute Nacht.
»Kein Geräusch, oder ich puste jedem den Kopf weg, der hier reinkommt und dir helfen will.« Der Mörder bemühte sich, leise zu sprechen, geriet aber offenbar in Panik. »Das ist mein voller Ernst.«
Mark glaubte ihm. Dieser Mann hatte schon viele Menschen ermordet, er würde auch vor einem weiteren Mord nicht zurückschrecken.
Er bückte sich und stützte die Hände auf die Knie. Sein Gegner erwartete, dass er das Bewusstsein verlieren würde, das war ihm klar. Aber ganz so weit war es noch nicht. Oh nein. Er wollte einfach noch zu gern ausprobieren, ob er die Hand am Bein hinuntergleiten lassen konnte, bis er den Knöchel erreichte. Mark tastete nach dem Holster direkt über seinem rechten Fuß. Die Reservewaffe war seine letzte Chance, den Mörder auszuschalten, bevor jemand verletzt wurde.
Die Droge wütete in seinem Inneren. Er schwankte, stürzte vornüber, konnte nicht verhindern, dass er auf dem Boden aufschlug. Er rollte sich weg, um ein möglichst kleines Ziel abzugeben.
Selbst aus einigen Metern Entfernung konnte er sehen, dass der Täter unter der Kapuze lächelte. Du denkst, du brauchst bloß abzuwarten, was? Bis ich das Bewusstsein verliere?
Vielleicht war der Mörder nicht lange genug in der Kneipe geblieben und hatte nicht gesehen, dass Mark den Bierkrug mit der Droge nicht ganz geleert hatte. Folglich war ihm nicht klar, dass sein Opfer noch gar nicht so weit weg war, wie er vermutete. Er wartete auf den richtigen Moment, um das Messer zu ziehen, damit er diese Sache in aller Stille beenden konnte, ohne dass er mit einem Pistolenschuss unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich zog.
Verzweifelt biss Mark sich die Unterlippe blutig, weil er den Schmerz brauchte, um sich zu konzentrieren. Salzige Flüssigkeit rann ihm die Kehle herunter. Er spuckte sie aus und krümmte sich zusammen, als würde er sich übergeben.
Das gab ihm die Chance, die er brauchte, um die kleine Reservewaffe von seinem Knöchel zu lösen.
Er hob sie. Sein Angreifer bekam vor Schreck große Augen und hob ebenfalls die Waffe.
Zwei Schüsse krachten. Lichtblitze, ein beißender chemischer Geruch. Und Schmerz. Scheißschmerz. Erst klein und warm in seiner Brust, dann breitete er sich aus, explodierte, brannte wie Feuer. Versengte ihn, verschmorte ihn, eine furchtbare Empfindung.
Er war getroffen. Konnte nicht einatmen. Lungenschuss?
Daniels fiel nach hinten, blinzelte, um deutlicher sehen zu können, als der Mann näher kam, fürchtete, dass er ihn verfehlt hatte. Er hatte zu viele Gestalten in Schwarz vor sich gehabt, da hatte er nicht richtig zielen können. Inzwischen sah er alles dreifach. Wie stark mochte das Bier wohl vergiftet gewesen sein?
Er hoffte keinen Augenblick, dass das Krachen der Schüsse Hilfe herbeiholen könnte. In diesem Viertel gingen die Leute lieber schnell in Deckung, wenn sie so etwas hörten, und bis ein Polizist hier erscheinen würde, um der Sache auf den Grund zu gehen, würde es wahrscheinlich eine ganze Stunde dauern. Es war aus mit ihm. Aus und vorbei.
»Wo ist er?«
Langsam schüttelte Mark den Kopf, wollte nicht sprechen, auch wenn er es noch gekonnt hätte.
Der Mörder ließ sich neben ihm auf die Knie nieder, klopfte ihn ab, von den Schultern bis zur Taille. Dann schob er eine behandschuhte Hand in Daniels’ Tasche, zog die kleine Plastiktüte hervor und nickte zufrieden.
»Vielen Dank, Detective Daniels«, sagte er, während er seine Waffe wieder hob. »Sie waren mir eine große Hilfe.«
In diesem Moment dämmerte es Mark. Auf einmal konnte er die Stimme mit einem Gesicht verbinden, und jetzt kapierte er. Er wusste, wer das war, wusste, wer ihn angegriffen hatte, wer Leanne ermordet und Ronnie überfallen hatte.
Schwein. Du elendes, krankes Schwein.
Und gleichzeitig kam ihm noch eine weitere Erkenntnis. Das Timing fiel ihm auf – heute Abend der Mord im fernen Richmond. Die anderen Puzzleteile, die nicht ganz passen wollten.
Er begriff plötzlich, warum sie kein stimmiges Bild ergaben.
Die Pistole zielte auf ihn. Daniels wälzte sich auf die rechte Seite. Es sollte so aussehen, als könne er die Waffe nicht anschauen, als wolle er nicht mitansehen, wie der Tod auf ihn zukam. Er zählte auf die Bösartigkeit des Mannes, auf seine
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