Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)
Leidenschaft, das Morden in die Länge zu ziehen und die Todesangst des Opfers zu vergrößern.
Und ihm so noch einige kostbare Sekunden zu schenken.
In diesen Momenten wollte Mark seine letzte Chance ergreifen und die letzte Botschaft übermitteln, die er je übermitteln würde.
Unter Schmerzen schob er die linke Hand über den Boden, versuchte durch reine Willenskraft, den Killer daran zu hindern, sofort den Abzug zu betätigen. Als Mark direkt vor seinen Augen seine Finger erkennen konnte, richtete er fest den Blick darauf und rief sich den Unterricht ins Gedächtnis, die Figuren, die Bewegungen. Und die Buchstaben.
Es war ein paar Jahre her, dass Ronnie und er den Kurs in Zeichensprache mitgemacht hatten, den alle Police Detectives absolvieren mussten. Er hoffte bloß, dass seine Erinnerung ihn nicht trog.
Die ersten drei Buchstaben fielen ihm gleich ein, und er formte sie, so rasch er konnte.
Ein R. Ein O. Ein N.
Jetzt guckst du aber, was, Süße?
Er wurde von Sekunde zu Sekunde schwächer, verlor so viel Blut, dass er es jetzt selbst riechen konnte. Während er seine Finger streckte, um sie zu entspannen, überlegte er, wie der nächste Buchstabe aussah, den er bilden musste. Er konnte ihn vor seinem inneren Auge sehen und versuchte, ihn mit der Hand nachzugestalten. Sein Empfinden und seine Sinneswahrnehmungen ließen nach, und er war nicht sicher, ob er überhaupt noch etwas Vernünftiges zustande brachte.
Doch er bemühte sich weiter. Bildete einen Buchstaben. Und noch einen.
»Was machst du denn da? Schluss damit!«
Ein Klicken. Nichts. Ladehemmung. Die Gestalt in Schwarz fluchte, versuchte, den Fehler zu beheben und den Todesschuss vorzubereiten. Als Daniels hörte, dass das Magazin wieder einrastete, wusste er, dass seine Zeit gekommen war.
Er hatte keine Sekunde mehr übrig, keine Zeit, um einen Namen fertig zu buchstabieren. Ihm blieb noch ein Moment für ein einziges Zeichen. Ein Zeichen, das Ronnie hoffentlich sehen und richtig deuten würde.
Er wusste, wie es aussehen musste.
Mark nahm seinen ganzen Willen zusammen und streckte den Zeige- und den Mittelfinger der linken Hand hoch. Mit aller Kraft, die ihm noch zur Verfügung stand, starrte er auf das so entstandene V.
Plötzlich ein grässlicher Schmerz. Entsetzlich, brutal. Blut spritzte rot, sprudelte, bedeckte alles.
Mark heulte auf vor Schmerz und Entsetzen. Während er auf die Kugel gewartet hatte, hatte der Unmensch zum Messer gegriffen.
Daniels hatte sein Äußerstes getan, und er hoffte nur, dass seine Partnerin seine Botschaft verstehen würde. Mehr war ihm nicht möglich, mehr konnte er ihr nicht zeigen.
Denn er hatte keine linke Hand mehr.
17
In Jeremy Sykes Armen einzuschlafen, war für Ronnie das Highlight der Woche gewesen. Oder des Monats. Nein, des Jahres. Was auch immer. Nach ihrem intensiven Liebesspiel waren sie gemeinsam in Tiefschlaf verfallen. Dabei hatten sie das Bett so selbstverständlich geteilt, als hätten sie schon immer nebeneinander geschlafen. Sie erwachte in dem Wissen, dass ihr Leben sich unwiderruflich verändert hatte.
Da klingelte das Telefon.
Ein wenig benommen lag sie im Licht des frühen Morgens neben Jeremys nacktem Körper. Einen Moment lang, dann stand sie auf und griff nach ihrer Hose, die noch auf dem Boden lag, dort, wo sie gestern hingefallen war. Ronnie kramte das Handy aus der Tasche und war beim fünften Klingeln dran.
»Detective Sloan«, sagte sie laut, als sie auf dem Display die Telefonnummer ihrer Dienststelle erkannte.
»Veronica? Hier ist Ambrose.«
Ihr Chef. Aber warum er sie morgens um viertel vor sieben anrief, war Ronnie ein Rätsel. »Ja, Sir?«
»Wo sind Sie?«
»In einem Hotel südlich von Richmond.« Sie erklärte rasch, was gestern Abend passiert war – wie sie hergefahren waren und dass sie bis zum Morgen warten mussten, um die sterblichen Überreste dieses neuen Mordopfers zu erhalten. Ronnie sprach deutlich und fasste sich kurz. Sie spürte, dass Ambrose angespannt und unruhig war. »Bis heute Mittag müsste ich wieder in Washington sein.«
»Kommen Sie eher zurück.«
Sie erstarrte und umklammerte das Handy fester. »Was ist denn passiert?«
»Es tut mir furchtbar leid, Sloan, Ihnen das mitteilen zu müssen … «
Ihr Magen krampfte sich zusammen. Sie legte sich eine Hand auf den Mund, hätte sie am liebsten aufs Ohr gelegt, um nicht hören zu müssen, was ihr Chef jetzt sagen würde. Denn es würde etwas Schlimmes sein. Etwas, das ebenso
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