Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)
Autohupe, splitterndes Glas, und in der nächsten Querstraße einen rumpelnden Müllwagen.
Und noch etwas.
»Bitte, helfen Sie mir.«
Daniels schüttelte den Kopf, versuchte, sich zu konzentrieren. Er war immer noch nicht sicher, ob er seinen Ohren trauen sollte. Die leise Bitte hatte nämlich geklungen, als sei sie von einem Kind gekommen. Und zu dieser nachtschlafenden Zeit sollte in dieser Gegend weiß Gott kein Kind allein unterwegs sein.
Auf das Wimmern folgte ein leiser Schrei. Dann ein lauterer.
»Kind?«, rief Daniels laut, denn jetzt war er sicher, dass er etwas gehört hatte. Er reagierte zwar langsam und taumelte ein bisschen, aber er dachte gar nicht daran, dieses Rufen zu ignorieren. Jemand war in Not. Vielleicht war das Kleine von zu Hause weggelaufen? Oder ein Perversling aus dem Viertel hatte es mitgenommen?
Daniels wandte sich einem verlassenen Gebäude in der Nähe zu, denn er war sicher, dass das Rufen von dort gekommen war. Als er Glasscherben klirren hörte, ging er zur Tür und stieß dagegen. Sie ließ sich mühelos öffnen, das Schloss war schon lange kaputt. Wahrscheinlich war das Haus als kostenlose Absteige oder als Treffpunkt für Drogensüchtige benutzt worden. Jedenfalls hatte ein Kind hier nichts zu suchen.
»Kind, hast du dich verlaufen?«, rief er und blinzelte wieder, um sich an die Dunkelheit im Innern des Gebäudes zu gewöhnen. Die Bretter über den Fenstern waren im Laufe der Jahre zum Teil kaputtgegangen, sodass von den Straßenlaternen ein wenig Licht ins Haus fiel. Gerade genug, dass Mark sich in dem leeren Raum, in dem er stand, orientieren konnte.
Offenbar war hier einmal irgendein Geschäft gewesen, denn die Eingangstür hatte ihn in diesen großen Raum geführt, mit einer langen, verrottenden Theke an einer Wand und durchhängenden Regalen an einer anderen. Mitten auf dem Fußboden lagen Berge von Müll, Schutt, eine schmutzige, zerrissene Matratze und ein Spülkasten von einer Toilette. Kein Kind.
Daniels zog seine Taschenlampe hervor und fummelte mit plumpen Fingern, die ihm nicht recht gehorchen wollten, daran herum. Er schwor sich, nie wieder einen Tropfen anzurühren, wenn er nur das arme Kleine retten konnte, das offenbar wirklich in Not war. Er schloss die Augen fest, konzentrierte sich, öffnete sie dann wieder und schaltete die Lampe ein. Sie warf einen hellen Lichtstrahl über die Müllhaufen und zeigte eine Tür, die nur noch an einer müden Angel baumelte. Sie führte von dem vorderen Raum in ein Hinterzimmer, das wahrscheinlich einmal als Lager gedient hatte.
Wieder ein Wimmern.
Sein Instinkt warnte ihn, vorsichtig zu sein und langsam vorzugehen, aber sein Bedürfnis, aktiv zu werden, war stärker. Wenn er seine Dienstpistole an der Hüfte gehabt hätte, hätte er inzwischen wenigstens das Holster geöffnet. Leider jedoch hatte er sie in einem Waffenkoffer im Kofferraum eingeschlossen, als er Feierabend gemacht hatte. Im Moment stand ihm nur die kleine Reservewaffe am Knöchel zur Verfügung, und die würde er erst ziehen, wenn er sich über die Situation im Klaren war. Ihm schwindelte, es war dunkel, und ganz in der Nähe befand sich ein kleines Kind – da war es möglich, dass er zufällig genau die Person erschoss, die er eigentlich beschützen wollte.
»Bitte … «
Als er erneut den Hilferuf hörte, machte er sich mit großen Schritten auf den Weg ins Hinterzimmer. Doch wieder schwankte der Boden unter seinen Füßen, und er stolperte über den Spülkasten. Er murmelte einen Fluch, schaffte es aber, auf den Beinen zu bleiben. Die Taschenlampe jedoch fiel polternd zu Boden.
Daniels beugte sich gerade vor, um sie wieder aufzuheben, da hörte er eine Diele knarren. Er war immer noch verwirrt – viel verwirrter, als er nach dem einen Whiskey und drei Bierchen, verteilt über mehrere Stunden, hätte sein sollen, wie ihm plötzlich klar wurde. Als er zwischen seinen Beinen hindurchschaute, sah er, wie sich ein dunkler Schuh hinter ihn schob. Es war mit Sicherheit keine Kindergröße.
Seine Reaktionen waren langsam, durch den Alkohol gebremst, aber sein Kampfgeist war ungebrochen. Er fuhr herum, warf sich mit seinem ganzen Körpergewicht auf die dunkle Gestalt und hörte befriedigt, wie sein Angreifer aufstöhnte, als er ihn zu Boden warf.
»Scheißkerl«, knurrte Daniels, denn zuerst dachte er, er hätte einen Drogensüchtigen geschnappt, der ihn gerade ausrauben wollte. Doch da bemerkte er die schwarze Kleidung. Die schwarze Kapuze auf dem
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