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Die Farbe Des Zaubers

Die Farbe Des Zaubers

Titel: Die Farbe Des Zaubers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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Besitztümer mit keinem anderen Werkzeug als den Gedanken und verändern sie nach Belieben - sie wechseln auch ihre eigene Gestalt, so, wie Menschen Kleidung wechseln und aus ähnlichen Gründen: aus Reinlichkeit, Anstand, Langeweile, besonderen Anlässen. Wie Sterbliche vertreten auch sie manche Sachen lieber als andere. Sie tun sich zusammen oder befehden sich, haben Liebschaften mit Sterblichen oder anderen Gottheiten, streiten mit anderen Pantheons. Einige Götter finden diese Ähnlichkeit mit dem Benehmen Sterblicher bestürzend. Den meisten ist es jedoch egal, genau wie die meisten einfach nicht auf das tiefere Licht achten, das häufig jenseits und selbst innerhalb der strahlenden Paläste zu finden ist und grüblerisch beobachten, was Götter und Sterbliche tun.
    Vor kurzem bemerkten die Nachbarn die Entstehung eines Bauwerks, das nicht immer strahlte. Es neigte dazu, entweder ein makellos weißer Tempel mit hohen Säulen zu sein von der Art, wie ästhetisch vielversprechende Sterbliche ihn bauen, oder eine niedrige Steinhütte mit Strohdach, die herausfordernd in einem Hof mit festgestampftem Lehmboden kauerte. Aber in beiden Formen war die Bauweise unverkennbar die von Sterblichen, und die daran vorüberkommenden Götter fanden sie auf ihre unterschiedliche Weise entweder geschmacklos, herrlich primitiv oder bahnbrechend. Das Aussehen des Bauwerks wechselte manchmal mehrmals in der Minute, dann mehrmals pro Sekunde; und nach solchen Zuckungen schossen Blitze aus Fenstern und Türen, und aus dem Innern war Krach und Brüllen zu hören. Die Nachbarn erkannten bald, daß dieser Formwechsel des Hauses bezeichnend war. Die Göttinnen, die in ihm lebten, befanden sich in einer Persönlichkeitskrise.
    »Denkst du jemals an etwas anderes als Gewänder?!«
    »Zumindest denke ich überhaupt daran, im Gegensatz zu dir! Du bist eine Göttin, du kannst doch nicht in diesen — diesen Lumpen aus dem Haus gehen!«
    »Entschuldige mal! Dieses Hemd ist lediglich gerade gut eingetragen. Es ist bequem. Es bedeckt mich — und läßt nicht die Hälfte von mir hinaushängen wie diese alte Tunika von Ils', die du nie ausziehst. Oder dieses zottige Ziegenfellcape mit dem gräßlichen Gesicht darauf.«
    »Nur damit du es weißt, wenn mein Vater dieses >zottige Ziegenfell< über die Armeen Sterblicher schüttelt, laufen sie vor Entsetzen in alle Winde ...«
    »Kein Wunder, bei seinem Gestank! Außerdem ist er unser Vater. Oh, stell doch die Vase ab, Siveni! Wenn du sie zerschmetterst, mache ich ja doch wieder eine neue. Außerdem, wann hat Ils denn in letzter Zeit eine Armee in die Flucht gejagt? Gib ihm das Ding lieber zurück, er könnte es jetzt vielleicht gut brauchen!«
    »Oh, du ...!«
    Blitze peitschten den Marmor des Tempels und zogen ihre schwarzen Sengspuren über sein Weiß. Kreischend flatterte ein Silberrabe zwischen zwei Säulen hervor und setzte sich in sicherer Entfernung schimpfend auf den obersten Ast eines Baumes mit goldenen Äpfeln. Die Blitze machten eine Menge Krach, während sie so herumpeitschten, aber selbst ein interesseloser Beobachter hätte bemerken müssen, daß sie wenig Schaden anrichteten. Schließlich verschwanden sie, und der übertriebene Donner, der sie begleitet hatte, erlosch allmählich in Echos und Wispern. Krämpfe befielen den Tempel, er duckte sich, wurde braun und grau und zu Feldstein und Dachstroh, dann verschwand er völlig.
    Zwei Frauen standen auf der Ebene, die immer noch unsicher zwischen weißem Marmor und braunem Lehm schwankte. Eine war göttlich aufgerichtet in schimmernden Gewändern und Kammhelm, hielt in der Hand einen Speer, um den sich die unterdrückten Blitze zischelnd wanden - eine Gestalt von kühler, strahlender Schönheit, ganz Gottheit, ganz Jungfrau, scheinbar unbezwingbar. In Armlänge von ihr stand die andere Frau, nicht so groß, nicht so strahlend schön wie sie, schmutzig in abgetragener Kleidung mit Flicken, mit nichts weiter gekrönt als einer Fülle dunklem Lockenhaar, das etwas zerzaust war, und lediglich mit einem Küchenmesser bewaffnet. Sie starrten einander einen Moment lang an, Siveni, die Kriegerkönigin und Göttin der Wissenschaften, und Mriga, die schwachsinnige Maid. Die Schwachsinnige aber war es, die nachdenklich und bedauernd dreinschaute, während die Göttin der Schlachten finster blickte.
    »Es muß aufhören!« sagte Mriga fest. Sie ließ das Messer in den leuchtenden Staub fallen und wandte sich von ihrem anderen Selbst ab. »Wir

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