Die Farben der Freundschaft
schluckte rosa Luft. »Es ist nur so, dass am Samstag der jährliche Tanzabend unserer Schule stattfindet, unser Disco-Schulball.«
»Dann ein andermal …« Johanns Stimme klang enttäuscht.
»Nein … warte, Johann, ich meine, du könntest mich ja begleiten als mein … äh, also, wir dürfen jemanden von einer anderen Schule als Tanzpartner einladen …«
»Disco-Schulball …« Johann lachte leise. »Das hört sich gut an. Bei uns ist der jährliche Tanzabend immer sehr steif und formell. Smokings und Ballkleider.«
»Unserer ist ganz anders.« Meine Stimme hatte endlich wieder zu ihrem normalen Ton gefunden, aber den Bettpfosten hielt ich trotzdem fest. Die Farben umschwirrten mich immer noch.
»Das klingt nicht schlecht. Vielen Dank für die Einladung, Ruby.«
»Johann?« Plötzlich stieg panische Angst in mir hoch. »Du wirst wahrscheinlich der einzige Afrikaander dort sein.«
»Macht nichts. Ich kann ganz gut auf mich aufpassen. Und auf dich natürlich auch – am Samstagabend.«
Meine Hand konnte den Hörer kaum ruhig halten.
»Was soll ich anziehen?«, fragte er.
»Etwas, worin du gut tanzen kannst.«
Johann lachte. »Na schön, dann komme ich im rosa Tutu!«
Ich beschrieb ihm den Weg zu mir und sagte noch, dass Samstagabend, sieben Uhr perfekt wäre, danach legten wir auf. Johann war schon achtzehn und hatte den Führerschein, und ich war sicher, wenn Mutter und Vater ihn erst kennengelernt hätten, würden sie nichts dagegen haben, dass ich mit ihm zum Ball fuhr.
Ich lag auf meinem weichen Teppich und spürte, wie zwischen den wirbelnden Farben in meinem Kopf meine Gefühle Karussell fuhren.
Gelbe Angst. Blaue Traurigkeit. Orangefarbene Freude. Ein bittersüßes Zusammentreffen: Weil ich Johann gefunden hatte, verlor ich Julian.
15
WEGEN der Ausstellung in der nächsten Woche half ich jetzt jeden Nachmittag nach der Schule bei den Vorbereitungen in der Galerie. Mit Thandi zusammen zählte ich die eingegangenen Zusagen für die Teilnahme an der mitternächtlichen Eröffnung – mehr als hundert Besucher wollten kommen. In der Kunstwelt hatte sich schnell herumgesprochen, dass dieser junge Künstler aus Soweto der neue leuchtende Star aus der dunklen Welt der Townships werden könnte. Mutter hatte etliche Kunstkritiker und Mäzene eingeladen, außerdem prominente schwarze Polit-Aktivisten und wohlhabende Weiße aus den nördlichen Vorstädten. Diese Mischung sei ideal, hatte sie behauptet, und in der Tat bemühten sich noch viele Leute um eine persönliche Einladung. Aber Mutter wählte das Publikum immer sehr sorgfältig aus und ließ sich nicht umstimmen, wenn es darum ging, wer auf ihrer Liste stehen sollte und wer nicht. Es geschah nicht aus Arroganz, dass sie sich jede Einladung so genau überlegte. Sie musste bei ihren Gästen einfach so sicher wie möglich sein, dass keine Informanten der Polizei darunter waren. Gewöhnlich hielt sie auch die Zahl der Besucher in einem überschaubaren Rahmen, doch die Nachricht von Julians bevorstehender Ausstellung schien ein beachtliches Eigenleben entwickelt zu haben.
»Thandi, Ruby, Dashel!« Mutter rief von irgendwoher in der Galerie, ihre Stimme hallte von den ovalen Wänden. »Blitz-Besprechung in meinem Büro!«
Als wir alle versammelt waren, ging Mutter zum hundertsten Mal in dieser Woche den Plan für den Abend durch. Getränke und Häppchen würden gereicht werden, außerdem Champagner und Wein. Selbstverständlich würden hinten in der Küche die »Tarn-Tabletts«, wie Mutter sie nannte, mit gefüllten Gläsern bereitstehen, falls sie für eine unliebsame Situation benötigt würden. Mit der »unliebsamen Situation« meinte sie eine Polizeirazzia. Da illegalerweise neben den weißen Gästen auch schwarze geladen waren, sollten die Schwarzen – falls plötzlich Polizei in der Galerie auftauchte – schnell die »Tarn-Tabletts« in die Hände gedrückt bekommen, als wären sie Personal, nicht Besucher. Dass ein schwarzer Mensch auf einer Party Getränke servierte, war natürlich nicht illegal. Das Aushändigen dieser Tabletts war die Aufgabe, die Thandi, Dashel und mir zufiel. Letztes Jahr, bei Dumalis Ausstellungseröffnung, mussten wir schon einmal eine Razzia über uns ergehen lassen. Wir hatten damals schnell und reibungslos die Tabletts verteilt, aber es waren angstvolle Minuten gewesen, die ich nie wieder durchmachen wollte.
Mutter hatte gerade zu erklären begonnen, wie Julians Einführung genau ablaufen sollte. Er würde
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