Die Farben der Magie
ihm, wie man die Ringe benutzt, K!sdra!«
»Sieh nur, in welche Situation du mich gebracht hast«, flüsterte Rincewind.
Kring vibrierte ihm in der Hand. »Denk daran, daß ich ein magisches Schwert bin!« summte die Klinge.
»Wie könnte ich das vergessen?«
»Klettre die Leiter hoch und greif nach einem Ring«, befahl der Drachenreiter. »Bring dann die Füße nach oben, bis die Haken zuschnappen.« Er half dem protestierenden Zauberer über die Leiter, und kurz darauf hing Rincewind an einem der Ringe, den Umhang in die Hose gestopft, Kring in der einen Hand. Aus dieser Perspektive betrachtet, wirkte das Drachenvolk recht normal, aber die Drachen ragten wie gewaltige Skulpturen auf, und ihre Augen glühten, während sie das Geschehen interessiert beobachteten.
»Achtung!« rief Lio!rt. Jemand reichte ihm einen in rote Seide gehüllten langen Gegenstand.
»Wir kämpfen, bis einer von uns stirbt«, sagte er. »Damit bist du gemeint.«
»Und ich bin frei, wenn ich den Sieg erringe?« fragte Rincewind ohne große Hoffnung.
Lio!rt deutete auf die vielen Drachenreiter in der Nähe.
»Sei nicht naiv«, erwiderte er.
Rincewind holte tief Luft. »Ich sollte dich besser warnen«, sagte er, und seine Stimme zitterte kaum. »Dies ist ein magisches Schwert.« Lio!rt ließ die rote Seide fallen und hob eine pechschwarze Klinge. Ru nen glänzten darauf.
»Welch ein Zufall«, brummte er und griff an.
Rincewind erstarrte vor Furcht, aber sein Arm bewegte sich von ganz allein und stieß Kring nach vorn. Als sich die beiden Schwerter berührten, stoben oktarine Funken davon.
Lio!rt wich zurück und kniff die Augen zusammen. Kring sprang an seiner Deckung vorbei: Zwar zuckte das Schwert des Drachenlords nach oben und wehrte die Wucht des Hiebs ab, aber trotzdem blieb ein roter Striemen auf Lio!rts Brust zurück.
Er knurrte zornig und begann mit einem zweiten Angriff. Seine Hakenstiefel klapperten, als er von Ring zu Ring eilte. Erneut trafen die Klingen aufeinander, und wieder kam es dabei zu einer starken magischen Entladung. Mit der freien Hand griff Lio!rt nach Rincewinds Kopf und schüttelte ihn so heftig, daß sich ein Fuß des Zauberers vom Ring löste und verzweifelt nach Halt suchte.
R incewind wußte, daß er mit ziemlicher Sicherheit der schlechteste Zauberer der Scheibenwelt war – immerhin kannte er nur einen Zauberspruch. Trotzdem gehörte er zu den Magiern, und deshalb verlangten die strengen Gesetze der Thaumaturgie, daß ihn zur gegebenen Zeit der Tod höchstpersönlich ins Jenseits geleitete, anstatt (wie in vielen anderen Fällen) einen seiner Assistenten zu schicken.
Aus diesem Grund rann die Zeit plötzlich so träge wie Sirup dahin, als der grinsende Lio!rt mit seinem Schwert ausholte.
Rincewind sah jetzt überall flackerndes oktarines Licht, in dem er hier und dort violette Flecken wahrnahm, hervorgerufen von Photonen, die auf ein magisches Kraftfeld stießen. Der Drachenlord zeigte sich als ein geisterhafter Schemen, dessen Schwert im Schneckentempo durch das Glühen kroch.
Neben Lio!rt stand eine andere Gestalt, erkennbar nur für jemanden, der die zusätzlichen vier Dimensionen der Magie sehen kann. Sie war groß, hager und dünn; hinter ihr erstreckte sich kalte Schwärze, in der frostige Sterne funkelten. Mit beiden Händen hob sie eine überaus scharfe Sense…
Rincewind duckte sich. Die Klinge zischte ihm dicht am Kopf vorbei und drang in den Fels der Höhlendecke ein, ohne langsamer zu werden. Mit der für ihn typischen Grabesstimme knurrte Tod einen Fluch, und von einem Augenblick zum anderen veränderte sich die Szene. Was auf der Scheibenwelt als Realität galt, kehrte leise zischend zurück. Lio!rt schnappte verblüfft nach Luft, als der Zauberer seinem tödlichen Schlag erstaunlich flink auswich. Jene Art von Verzweiflung, die nur dem wahrhaft Entsetzten zur Verfügung steht, verlieh Rincewind zusätzliche Beweglichkeit. Er sprang wie jemand, der von einem Katapult davongeschleudert wird, griff mit beiden Händen nach dem Schwertarm des Drachenlords und zog.
In der gleichen Sekunde entschied der zu sehr belastete Ring des Zauberers, sich mit einem spöttischen Knirschen aus der Höhlendecke zu lösen.
Rincewind baumelte über einem Tod, der ihm alle Knochen im Leib brechen würde, und er hielt sich so sehr an Lio!rts Arm fest, daß sein Gegner schrie.
Der Drachenlord warf einen Blick auf seine Füße. Kleine Felssplitter bröckelten dort ab, wo die Halterungen der Ringe im Gestein
Weitere Kostenlose Bücher