Die Farben der Magie
einer Höhle, aber ihre Ausmaße gingen weit über die aller normalen Höhlen hinaus. Der Drache flog in fast grenzenloser Leere und war kaum mehr als eine vergoldete Fliege in einem Bankettsaal.
Es gab noch andere Drachen, goldene, silberne, schwarze und weiße.
Sie glitten ebenfalls durch das Gewirr aus Lichtbalken, steuerten eigene Ziele an oder hockten auf Felsvorsprüngen. Hoch an der gewölbten Decke hingen viele weitere an großen Ringen, die Schwingen in der Art von Fledermäusen zusammengefaltet. Rincewind sah auch Menschen und schluckte – wie winzige Käfer krochen sie über die riesige Decke. Dann fielen ihm dort oben Tausende von kleinen Ringen auf. Einige falsch herum stehende Männer beobachteten Psephas Flug interessiert.
Rincewind schluckte erneut; er wußte einfach nicht, wie er sich jetzt verhalten sollten.
»Nun?« flüsterte er. »Irgendwelche Vorschläge?«
»Du greifst an«, antwortete Kring in einem tadelnden Tonfall. »Ist doch ganz klar.«
»Warum habe ich nicht sofort daran gedacht?« erwiderte Rincewind.
»Vielleicht deshalb, weil die Leute mit Armbrüsten bewaffnet sind?«
»Schwarzseher!«
»Schwarzseher glauben nur, daß sie Niederlagen hinnehmen müssen.
Ich bin sicher!«
»Du bist selbst dein schlimmster Feind«, sagte das Schwert. Der Zauberer blickte zu den triumphierend lächelnden Männern. »Das bezweifle ich«, erwiderte er skeptisch.
Bevor Kring einen zusätzlichen Kommentar abgeben konnte, streckte sich Psepha und landete auf einem der großen Ringe, der bedrohlich wackelte.
»Möchtest du sofort sterben oder dich erst ergeben?« fragte K!sdra ruhig.
Aus allen Richtungen näherten sich Männer; sie schwankten seltsam, während ihre Hakenstiefel an die Ringe klackten.
An einer kleinen Plattform neben dem Landering hing ein Gerüst mit ähnlich beschaffenen Stiefeln. Bevor Rincewind den Drachenreiter daran hindern konnte, sprang K!sdra von Psephas Rücken, erreichte die Plattform und freute sich über das Unbehagen des Zauberers.
Ein einschüchterndes dumpfes Geräusch ertönte. Es stammte von mehreren Armbrüsten, die nun gespannt wurden. Rincewind musterte ernste umgedrehte Gesichter. Was die Kleidung betraf, genügte der Einfallsreichtum des Drachenvolkes nur für einige Lederstreifen mit bronzenen Verzierungen. Die Scheiden von Messern und Schwertern wurden andersherum getragen. Bei den Leuten, die auf Helme verzichteten, wogte das Haar wie Seetang in der Belüftungsbrise. Auch einige Frauen befanden sich unter ihnen, und die Tatsache, daß sie mit dem Kopf nach unten standen, wirkte sich seltsam auf ihre Anatomie aus. Rincewind starrte sie aus großen Augen an.
»Gib auf!« riet ihm K!sdra.
Der Zauberer öffnete den Mund, um dieser Aufforderung nachzukommen. Kring summte eine Warnung, und Schmerzwellen fluteten durch Rincewinds Arm. »Niemals«, krächzte er. Der Schmerz ließ nach. »Er lehnt es natürlich ab, sich zu ergeben!« donnerte eine laute Stimme hinter ihm. »Immerhin ist er ein Held, nicht wahr?«
Rincewind drehte sich um und blickte in zwei haarige Nasenlöcher. Sie gehörten einem kräftig gebauten jungen Mann, der lässig an der Decke hing.
»Wie heißt du, Held?« fragte der Fremde. »Damit wir wissen, wer du gewesen bist.«
Heiße Pein flammte in Rincewinds Arm auf. »Ich… ich bin Rincewind von Ankh«, brachte er hervor.
»Und ich bin Lio!rt Drachenlord«, erwiderte der hängende Mann. Er sprach seinen Namen mit einem scharfen Klicken im Hals aus, das Rincewind für eine Art wörtliche Zeichensetzung hielt. »Du bist gekommen, um mich zum Zweikampf herauszufordern. Es geht dabei um Leben oder Tod.«
»Nun, äh, das stimmt nicht ganz…«
»Du irrst dich. K!sdra, gib unserem Helden ein Paar Hakenstiefel. Bestimmt möchte er so schnell wie möglich beginnen.«
»Nein, ich bin nur wegen meiner Freunde hier, und es liegt mir fern…«, stotterte Rincewind. Der Drachenreiter führte ihn zur Plattform, drückte ihn dort auf einen Stuhl und zog ihm Hakenstiefel über die Füße.
»Beeil dich, K!sdra!« empfahl Lio!rt. »Unser Held soll nicht zu lange darauf warten, daß sich sein Schicksal erfüllt.«
»Nun, ich bin sicher, daß sich meine Freunde hier recht wohl fühlen.
Wenn ihr so freundlich wärt, mich, äh, irgendwo abzusetzen…«
»Du wirst deinen Freunden bald begegnen«, entgegnete der Drachenlord wie beiläufig. »Wenn du religiös bist, meine ich. Wer den Wyrmberg erreicht, verläßt ihn nie wieder. Höchstens im übertragenen Sinn. Zeig
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