Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Farben der Magie

Die Farben der Magie

Titel: Die Farben der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
schauderte.
»Magier!« keifte er. »Wo sind meine Magier?«
Überall in der Arena spähten bleiche Männer hinter Altären und unter Bänken hervor. Einer der kühneren krullianischen Zauberer bemerkte den Gesichtsausdruck des Erzastronomen, hob zitternd den Arm und schleuderte einen Blitz. Das Feuer zischte zur Kiste, traf sie und zerstob zu weißen Funken.
Dies war das Zeichen für alle Magier, Beschwörer und Thaumaturgen von Krull, mit wiedergefundenem Eifer aufzuspringen und, unter den entsetzten Blicken ihres Herrn, jede Zauberformel zu sprechen, die ihnen in den Sinn kam. Flüche heulten und kreischten durch die Luft. Eine selbst für die neugierigsten Blicke undurchdringliche Wolke aus magischen Partikeln umgab die Truhe, wogte und wallte, gewann hier und dort höchst beunruhigende Formen. Eine Zauberformel nach der anderen jagte in dieses Durcheinander. Flammen und Blitze in allen acht Farben loderten aus dem kochenden Etwas, das nun den Platz der Truhe einnahm.
Seit den Magischen Kriegen war nicht mehr soviel Zauberei auf eine kleine Stelle konzentriert worden. Die Luft erzitterte und funkelte. Mehrere Zaubersprüche prallten voneinander ab und erzeugten ungebändigte wilde Magie, die ein gespenstisches und unkontrolliertes Halbleben führte. Die Steine unter der wabernden Masse gaben nach und brachen. Einer von ihnen verwandelte sich in etwas, das hier besser nicht beschrieben werden soll, und glitt in eine niedere Dimension. Andere sonderbare Nebenwirkungen manifestierten sich. Kleine Bleiwürfel sausten aus dem thaumaturgischen Sturm und rollten übers bebende Pflaster; unheimliche geisterhafte Gestalten schnatterten und vollführten obszöne Gesten; vierseitige Dreiecke und kantige Kreise entstanden, vereinten sich wieder mit dem donnernden, fauchenden Turm wilder Magie, der aus glühenden Steinen aufragte und sich über ganz Krull ausbreitete. Es spielte kaum mehr eine Rolle, daß die Magier inzwischen keine Zaubersprüche mehr riefen und flohen: Das Ding nährte sich nun von den oktarinen Partikeln, die hier am Rand der Scheibenwelt in einem breiten Strom flossen. Auf der Insel schlugen alle magischen Aktivitäten fehl, da das zur Verfügung stehende Mana in die Wolke gesaugt wurde, die bereits eine halbe Meile hoch war und gräßliche Umrisse gewann. Von Grauen erfüllte Hydrophoben stürzten mit ihren Linsen ins Meer; magische Elixiere verwandelten sich in schmutziges Wasser; magische Schwerter schmolzen und tropften aus ihren Scheiden.
Am Ausgangspunkte der Wolke stand die Truhe, glänzte wie ein Spiegel im Wüten des thaumaturgischen Orkans, und das Chaos hinderte sie nicht daran, sich weiterhin dem Erzastronomen zu nähern.

    R incewind und Zweiblum standen am Startturm des Mächtigen Reisenden und beobachteten die Vorgänge voller Ehrfurcht. Die Wächter der Eskorte waren längst geflohen und hatten die Waffen zurückgelassen.
    »Nun«, seufzte der Tourist schließlich, »damit wäre die Truhe wohl erledigt.« Er seufzte noch einmal.
    »Da irrst du dich«, erwiderte Rincewind. »Intelligentes Birnbaumholz ist immun gegen alle bekannten Arten von Magie. Die Pflicht der Kiste besteht darin, dir überall hin zu folgen. Ich meine, wenn du stirbst und in den Himmel kommst, so brauchst du im Leben nach dem Tod wenigstens nicht auf saubere Socken zu verzichten. Wie dem auch sei: Ich möchte noch nicht sterben, und deshalb sollten wir jetzt aufbrechen.«
    »Wohin willst du?« fragte Zweiblum.
Rincewind griff nach einer Armbrust und mehreren Bolzen. »Keine Ahnung. Nur weg von hier.«
    »Und die Truhe?«
    »Sei unbesorgt. Wenn der Sturm alle freie Magie in diesem Bereich verbraucht hat, so läßt er von ganz allein nach.«
Das geschah bereits. Noch immer stieg eine dichte Wolke von der Arena auf, aber sie zerfaserte allmählich und wirkte wesentlich harmloser. Einige Male flackerte sie ungewiß.
Erste Lücken bildeten sich darin, und kurz darauf zeichneten sich die Konturen der Kiste zwischen fast unsichtbaren Flammen ab. Die abkühlenden Steine in ihrer Nähe knackten und splitterten.
Zweiblum rief leise nach seiner Truhe. Sie unterbrach ihren hartnäckigen Marsch über die geplagten Steinplatten und schien zu lauschen. Dann bewegten sich ihre vielen Beine in einem komplizierten Muster, als sie sich umdrehte und Kurs auf den Mächtigen Reisenden nahm. Rincewind beobachtete sie griesgrämig. Die Kiste hatte eine elementare Natur, absolut keinen Verstand und eine mörderische Einstellung gegenüber

Weitere Kostenlose Bücher