Die Farben der Sehnsucht
letzten Mal hatte sie Steve auf Dereks Beerdigung gesehen. Da so viele Menschen zum Begräbnis erschienen waren, war es ihr nicht möglich gewesen, jeden einzelnen zu begrüßen und mit jedem zu reden. Sie hatte Steve und Jeanine zwar gesehen, aber nur Zeit gehabt, ihnen kurz für ihre Liebe und Unterstützung zu danken.
„Ich habe versucht, dich anzurufen“, sagte Steve, nachdem eine Bedienung ihre Bestellung aufgenommen hatte. „Hast du eine neue Telefonnummer?“
„Ich bin umgezogen und … also, ich sah keinen Grund, mir ein Telefon zuzulegen. Mein Handy reicht mir vollkommen.“
„Du hast das Haus verkauft?“, fragte Steve überrascht.
„Am Tag, als das Haus inseriert wurde, hatte sich bereits ein Käufer gefunden. Es ging so schnell, dass mir gar keine Zeit blieb, noch einmal darüber nachzudenken.“ Sie vermutete, dass Steve sich am Jahrestag von Dereks Tod bei ihr hatte melden wollen.
Er nickte, als würde er verstehen, dass sie nach dem schrecklichen Unfall nach vorne sehen musste.
„Ich habe auch versucht, dich bei der Arbeit zu erreichen“, erklärte er.
„Das hast du getan?“ Sie war erstaunt, dass er solche Anstrengungen unternommen hatte, um sie zu finden.
Doch bevor sie ihn weiter ausfragen konnte, wurde ihr Essen gebracht. Colette hatte sich eine Suppe bestellt und Steve einen Hamburger und Pommes frites.
„Ich wollte sehen, wie es dir geht“, sagte er und gab einen großzügigen Klecks Tomatenketchup auf den Rand seines Tellers. „Es ist ein Jahr her, stimmt’s?“
Sie antwortete nicht. „Mir geht es wirklich gut“, versicherte sie abermals.
Er hob den Kopf und blickte sie an. „Du siehst gut aus“, bemerkte er mit einem anerkennenden Grinsen.
Sein forschender Blick verwirrte sie, und in einem Versuch, ihre Unsicherheit zu überspielen, griff sie nach ihrem Löffel.
Die Rinderbrühe war hausgemacht und angereichert mit Gemüse und luftgetrocknetem Fleisch. Sie war so heiß, dass es dampfte.
Steves Miene wurde ernst. „Ich wusste nicht, ob du über mich und Jeanine Bescheid weißt“, sagte er und nahm den Burger in beide Hände.
Colette hoffte, er würde ihr nicht erzählen, dass sie sich getrennt hatten. Sie hatte seine Frau gemocht und geglaubt, dass die beiden – Steve mit seiner praktischen Art, die durch Jeanines Sinn für Humor ergänzt wurde – ein gutes Team waren.
„Jeanine hat die Scheidung eingereicht“, stieß er unvermittelt hervor. „Sie ist vor Weihnachten nach Yakima gezogen.“
Betrübt, das zu hören, legte Colette den Löffel zur Seite. „Oh Steve, das tut mir so leid.“ Das Paar hatte zwei kleine Töchter, die nun ohne ihren Dad aufwachsen würden.
In seinen Augen konnte sie lesen, wie traurig auch er war. Er schluckte und sah sie an. „Wir haben es versucht, aber es hat nicht funktioniert.“
„Wie halten sich die Mädchen?“
„Es scheint ihnen gut zu gehen – sehr gut sogar, wenn man bedenkt, was geschehen ist“, sagte er. Nach einem kurzen Zögern zuckte er die Schultern. „Sie sind so jung, und mit meinen verrückten Arbeitszeiten und den Überstunden war ich sowieso fast nie für sie da.“
Als er noch mit Derek zusammenarbeitete, hatten sie Schichtdienst geleistet. Doch Colette nahm an, dass man als Detective rund um die Uhr erreichbar sein musste. Dennoch sollte die Familie an erster Stelle kommen. So sah sie es jedenfalls. „Kann ich irgendetwas tun?“, fragte sie. Sie wollte gern helfen, wusste aber nicht wie.
Die Traurigkeit kehrte in sein Gesicht zurück, und er senkte den Blick. „Ich fürchte, dazu ist es zu spät.“
„Zu spät?“
„Die Scheidung wird diese Woche vollzogen. Und wie ich schon sagte, ist Jeanine nach Yakima gezogen – um in der Nähe ihrer Eltern zu sein.“
„Und die Mädchen?“
„Ich finde es furchtbar, dass sie aus Seattle wegziehen, aber vielleicht ist es das Beste für sie. Unsere Sorgerechtsvereinbarung regelt meine Besuchsrechte, und die Kinder sind zwei Wochen im Sommer, in den Frühlingsferien und in der Woche um Weihnachten bei mir. Jeanines Familie liebt die Mädchen, und alles in allem ist es eine gute Lösung. Obwohl ich meine Familie vermisse …“
Colette streckte über den Tisch hinweg ihre Hand aus und berührte seinen Arm. „Es tut mir so leid“, sagte sie noch einmal.
Steve nickte. „Mir auch. Die Frau eines Polizeibeamten zu sein ist nicht leicht. Du weißt das. Ich habe die offene, ehrliche Beziehung, die du und Derek geführt habt, immer bewundert. Das
Weitere Kostenlose Bücher