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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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eindeutiger ausfallen können.
    »Du bist keine große Hilfe«, sagte ich zu ihr. »Ich weiß, es ist ungerecht, Cyril, aber das Leben ist nun mal nicht fair. Ich zum Beispiel sollte eigentlich auf einer Urlaubsreise sein. Mich erholen. Schlafen.«
    Cyril nahm das Wort Schlafen als Aufforderung, sich wieder in die Kissen sinken zu lassen.
    »Nein«, sagte ich. »Hoch! Sofort! Ich meine es ernst, Cyril. Bei Fuß. Wach auf!«
    Keiner sollte behaupten, richtig gelebt zu haben, der nicht um halb sechs Uhr morgens einen sechzig Pfund schweren Hund eine steile victorianische Treppe hinabgetragen hat. Draußen hatte die Morgendämmerung die Wiesen rosig überhaucht, im Gras schimmerte diamantener Tau. Die Rosen öffneten gerade ihre liebreizenden Gesichter, alles Anzeichen dafür, daß ich immer noch an der Zeitkrankheit litt, was bedeutete, daß ich bei Veritys Anblick am Frühstückstisch vollkommen in ihren Bann geraten würde, obwohl sie Lady Schrapnell gesagt hatte, ich wüßte, wo des Bischofs Vogeltränke sei.
    In der Zwischenzeit hatte sich die Vogelluftwaffe offenbar zum Auftanken zurückgezogen, und die Welt lag still im frühen Morgenlicht, einer Stille, die so sehr ein Teil der Vergangenheit war wie die victorianischen Landhäuser und das Bootsfahren auf der Themse, die Stille einer Welt, in die noch keine Flugzeuge und Verkehrsstaus eingebrochen waren, keine Brandbomben und ferngesteuerten Geschosse, der stille, weihevolle Atem einer Welt, die längst vergangen ist.
    Es war zu schade, daß ich nicht in der Lage war, dies zu schätzen. Cyril wog eine Tonne, und als ich ihn absetzte, ließ er ein jammervolles, durchdringendes Winseln hören. Ich stolperte beim Hinausgehen fast über den schlafenden Stallburschen, und kaum war ich wieder im Haus, stieß ich im oberen Stockwerk beinahe mit Baine zusammen.
    Er stellte gerade frisch polierte Schuhe vor die Schlafzimmertüren. Noch bevor er mich sehen konnte, fragte ich mich, wann er eigentlich schlief.
    »Konnte nicht schlafen«, sagte ich und verschluckte in meiner Nervosität die Subjekte meiner Sätze wie Colonel Mering. »Ging nach unten, um etwas zu lesen zu holen.«
    »Ja, Sir«, sagte Baine. Er hielt Tossies weiße Stiefeletten in der Hand. Sie hatten kleine Rüschen an den Spitzen. »Ich finde die Industrielle Revolution von Toynbee recht entspannend. Soll ich Sie Ihnen holen?«
    »Nein, ist schon gut«, sagte ich. »Glaube, ich kann jetzt ganz gut einschlafen.«
    Was jedoch eine infame Lüge war. Ich machte mir um viel zu viele Dinge Gedanken, als daß ich geruhsam hätte in den Schlaf sinken können – zum Beispiel, wie ich meinen Kragen anziehen und meinen Schlips richtig binden sollte. Oder was Zeitreise an Konsequenzen entdecken würde, die daraus resultierten, daß ich Prinzessin Arjumand vier Tage zu spät nach Muchings End zurückgebracht hatte. Und was ich Lady Schrapnell erzählen sollte.
    Und selbst wenn ich aufhörte, mir Sorgen zu machen – es hatte überhaupt keinen Sinn mehr, es mit Schlafen zu versuchen. Es wurde bereits Tag. In ein paar Minuten würde die Sonne hell zum Fenster hereinscheinen, und die Vogelluftwaffe befand sich bereits im Anflug zu einer zweiten Angriffswelle. Außerdem fürchtete ich mich vorm Schlafen, weil ich Angst hatte, dank Prinzessin Arjumand dabei an Sauerstoffmangel zugrunde zu gehen.
    Sie hatte während meiner Abwesenheit beide Kissen in Beschlag genommen. Ich versuchte sie sanft, ohne sie aufzuwecken, zur Seite zu schieben, aber sie dehnte sich nur geschmeidig und begann, mir ihren Schwanz ins Gesicht zu schlagen.
    Ich blieb unter dem Gepeitsche liegen und dachte über des Bischofs Vogeltränke nach.
    Nicht nur, daß ich nicht wußte, wo sie war, ich hatte auch nicht die leiseste Ahnung, was mit ihr passiert sein konnte. Sie hatte achtzig Jahre in der Kirche gestanden, und nichts wies darauf hin, daß sie während des Angriffs nicht auch dort gewesen war. Im Gegenteil – es gab einige Menge Hinweise dafür. Die Gottesdienstordnung, die ich in den Trümmern gefunden hatte, bewies, daß sie vier Tage vor dem Angriff noch da gewesen war, und ich hatte sie am Vortag, dem neunten, nach der Andacht für die Royal Airforce und dem Kuchenverkauf mit eigenen Augen gesehen.
    Vielleicht war sie in letzter Sekunde entfernt worden, damit sie nicht zu Schaden kam, aber das war eher unwahrscheinlich, waren doch weder das marmorne Purbecksche Taufbecken noch die Orgel, auf der schon Händel gespielt hatte, aufs Land oder in

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