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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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Hercule Poirot. Agatha Christie. Er sagt…«
    »Agatha Christie?« Ich hatte keinen Schimmer, von wem sie sprach.
    »Die Krimiautorin. Zwanzigstes Jahrhundert. Bevor Lady Schrapnell Oxford und damit mein Leben übernahm, war ich in den 1930ern eingeteilt, und das ist eine absolut gräßliche Zeit – Hitlers Aufstieg, die weltweite Depression, keine Videos, keine virtuellen Welten, kein Geld, um ins Kino zu gehen. Das einzige, was einem bleibt, ist Detektivromane zu lesen. Dorothy Sayers, E. C. Benson, Agatha Christie. Und Kreuzworträtsel zu lösen«, setzte sie hinzu, als erkläre das alles.
    »Kreuzworträtsel?«
    »Für unsere momentane Situation nicht besonders hilfreich. Im Gegensatz zu Detektivromanen. Natürlich handeln sie eigentlich von Mord und nicht von Diebstahl, aber sie spielen immer in solchen Landhäusern wie diesem hier, und immer ist der Butler der Täter, wenigstens in den ersten hundert Romanen, die ich gelesen habe. Jedermann ist verdächtig, und immer ist es die am wenigstens verdächtige Person, nach den ersten hundert Romanen war der Butler das aber nicht mehr, und sie mußten auf fernliegendere Täter ausweichen. Sie wissen schon, die harmlose alte Dame oder die ergebene Ehefrau des Vikars, so in der Art. Doch die Leser brauchten nicht allzu lang, um auch dem auf die Schliche zu kommen, und man ging dazu über, den Detektiv selbst zum Mörder zu machen und den Erzähler, obwohl das bereits in Der Mondstein geschehen war. Da war es der Held, er wußte bloß nichts davon. Er schlafwandelte in seinem Nachthemd, was für die victorianische Zeit ziemlich verrucht war, und das Verbrechen war unglaublich kompliziert. In Detektivromanen schnappt sich ja keiner einfach nur die Vase und haut ab oder erschießt einen anderen aus Jähzorn. Am Ende, wenn der Leser denkt, er hätte alles gelöst, gibt es noch einen letzten dramaturgischen Schlenker, und das Verbrechen ist plötzlich äußerst durchdacht und sorgfältig geplant durchgeführt worden, mit Verkleidungen, Alibis und Fahrplänen, und ein Plan des Hauses, in dem es geschah, wird ins Buch vorn eingebunden, mit sämtlichen Schlafzimmern und der Bibliothek, wo sich in der Regel die Leiche findet, und allen Verbindungstüren, und trotzdem würde es dem Leser auf ewig verschlossen bleiben, wie das Verbrechen geschah, wenn nicht plötzlich der weltberühmte Detektiv aufträte…«
    »… der das Rätsel mit Hilfe der kleinen grauen Zellen löst?«
    »Ja. Hercule Poirot, Agatha Christies Detektiv. Er sagt, es sei nicht nötig, Fußspuren zu messen und Zigarettenstummel aufzusammeln wie Sherlock Holmes, um Verbrechen aufzuklären. Das ist nämlich Arthur Conan Doyles Detektiv.«
    »Ich weiß, wer Sherlock Holmes ist.«
    »Ach ja? Nun gut – Poirot sagt, alles was man braucht, sind die kleinen grauen Zellen, um das Problem zu durchdenken.«
    »Und des Bischofs Vogeltränke zu finden. Hier im Jahre 1888«, sagte ich ohne Überzeugung.
    »Na ja, es muß ja nicht hier sein, aber wir werden herausfinden, wohin sie von hier aus verschwunden ist«, sagte Verity strahlend. Sie machte es sich auf dem Bett bequem. »Nun – wann haben Sie sie zum letzten Mal gesehen?«
    Ich würde nie mehr im Leben Schlaf bekommen. Ich würde wie Alice im Wunderland eine unsinnige Konversation nach der anderen führen, bis ich vor Erschöpfung tot umfiel. Hier, in der erholsamen, friedlichen, gemütlichen victorianischen Zeit.
    »Können wir das nicht morgen früh besprechen?« fragte ich.
    »Dann sind wir nicht mehr allein«, entgegnete Verity. »Je eher wir des Bischofs Vogeltränke finden, desto schneller können wir aufhören, uns um Lady Schrapnell zu sorgen, daß sie hier aufkreuzt und wissen will, wo sie ist. Ich habe des Bischofs Vogeltränke nämlich noch nie gesehen. Ich habe nur alles Mögliche darüber gehört. Ist sie wirklich so scheußlich, wie man sagt? Zeigt sie etwa auch Moses im Schilf mit des Pharaos Töchtern wie dieses gräßliche Ding, das wir in Iffley sahen?«
    Sie hielt inne. »Ich bin eine Quasselstrippe, stimmt’s? Wie Lord Peter. Das ist Dorothy Sayers Detektiv. Lord Peter Wimsey. Er und Harriet Vane lösen die Fälle gemeinsam. Es ist furchtbar romantisch, und ich fange ja schon wieder an, nicht wahr? Mit Quasseln, meine ich. Zeitsprünge wirken sich auf mich immer so aus.«
    Sie schaute mich reuig an. »Und Sie leiden an der Zeitkrankheit und sollten eigentlich schlafen. Es tut mir so leid.«
    Sie kroch vom Bett herunter und schnappte ihr braunes

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