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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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öffnete das Fenster und hielt den Brief über die Flamme der Kerosinlampe.
    Das Papier flammte auf und bog sich an den Ecken. Ein brennendes Teilchen wirbelte hoch, genau zu dem Bukett aus getrockneten Blumen hin, das auf der Kommode stand. Ich hechtete hinterher, krachte dabei in den Stuhl, aber mein wildes Grapschen versetzte dem Papier nur noch einen kräftigeren Stoß auf das Bukett zu.
    Prima, dachte ich. Beim Versuch, eine Inkonsequenz zu vermeiden, werde ich nun das ganze Haus in Brand stecken.
    Wieder grapschte ich nach dem Papierfetzen, und er wirbelte aus meiner Reichweite und schwebte langsam zu Boden. Ich tauchte unter ihn, die Hände ausgebreitet, um ihn aufzufangen, aber noch bevor er sie erreichte, verbrannte er restlos und wurde zu Asche und unwichtig.
    Ein Kratzen kam von der Tür her. Als ich sie öffnete, sah ich Prinzessin Arjumand und Verity. Die Katze sprang mit einem Satz auf die Kopfkissen und legte sich dekorativ darauf, und Verity setzte sich auf das hohe Bettende.
    »Schauen Sie«, sagte ich, »meiner Meinung nach müssen Sie nicht noch mal zu Dunworthy. Sie haben in den letzten vierundzwanzig Stunden bereits zwei Sprünge gemacht und…«
    »Ich war aber schon«, erwiderte sie mit freudigem Lächeln. »Und ich habe gute Neuigkeiten.«
    »Stimmt das wirklich?« fragte ich. »Oder strahlen Sie nur so, weil Sie zeitkrank sind?«
    »Es sind gute Neuigkeiten«, sagte sie, runzelte dann aber die Stirn. »Wenigstens haben die in Oxford das gesagt. Ich wollte nämlich wissen, ob sie etwas über den Enkel und den Bombenangriff herausgefunden haben. T. J. meint, der Angriff auf Berlin sei kein Krisenpunkt. Weder im Luftgebiet noch in Berlin selbst gibt es erhöhte Schlupfverluste. Er hat einige Simulationen des Angriffs laufen lassen, und die Abwesenheit von Terences Enkel zeigte bei keiner von ihnen Auswirkungen. Geben Sie mir Ihre Schokolade?«
    »Natürlich«, sagte ich. »Warum gab es keine Auswirkungen?«
    Sie sprang vom Bett herunter und ging zum Nachttisch. »Weil es insgesamt einundachtzig Flugzeuge waren, und neunundzwanzig von ihnen warfen Bomben ab«, entgegnete sie und schenkte sich die Tasse voll. »Ein einziger Pilot fällt da nicht ins Gewicht, vor allem, weil es nicht das Ausmaß der Zerstörung war, das Hitler zum Gegenschlag veranlaßte, sondern die Tatsache, daß überhaupt Bomben auf Deutschland gefallen waren. Außerdem hat es hinterher noch drei weitere Luftangriffe gegeben.« Sie trug Tasse und Unterteller zum Bett und setzte sich wieder.
    Ich hatte vergessen, daß es insgesamt vier Angriffe gewesen waren, also eine Überzahl bedeutete.
    »Und das ist noch nicht alles.« Verity nippte an der Schokolade. »Laut Dunworthy deutet alles darauf hin, daß Göring sowieso schon beschlossen hatte, London zu bombardieren, und der Luftangriff auf Berlin ihm nur einen wohlfeilen Grund dafür lieferte. Dunworthy meint, wir sollten uns nicht sorgen. Nach seiner Meinung kann sich der Verlauf des Krieges durch Terences fehlenden Enkelsohn nicht verändert haben, aber…«
    Oh, ich hatte geahnt, daß es ein Aber gab.
    »…es gibt einen Krisenpunkt, der mit der Bombardierung verknüpft ist, über den wir Bescheid wissen sollten. Es ist der vierundzwanzigste August, die Nacht, in der die beiden deutschen Flugzeuge versehentlich London bombardierten.«
    Ich wußte, wovon sie sprach. Es handelte sich dabei um eine von Professor Peddicks individuellen Handlungen. Um Zufall und Schicksal. Die beiden Flugzeuge waren Teil eines größeren Geschwaders gewesen, das eine Flugzeugfabrik bei Rochester und die Öltanks im Themsehafen angegriffen hatte. Die Flugzeuge an der Spitze waren mit Suchscheinwerfern ausgerüstet gewesen, aber die übrigen nicht, und so kamen zwei von ihnen vom Geschwader ab, gerieten in Flakfeuer, entschieden sich, ihre Bombenlast abzuwerfen und schleunigst nach Hause zurückzukehren. Unglücklicherweise befanden sie sich in diesem Moment direkt über London, und ihre Bomben zerstörten die St. Giles Kirche sowie Cripplegate und töteten eine Anzahl Menschen.
    Als Rache hatte Churchill den Luftangriff auf Berlin befohlen, und als Rache dafür Hitler die Bombardierung von London. Wie du mir, so ich dir.
    »Dunworthy und T. J. konnten keine Verbindung zwischen Terences Enkel und den beiden deutschen Jägern finden«, fuhr Verity fort und trank einen weiteren Schluck Schokolade, »aber sie überprüfen es noch weiter. Außerdem besteht die Möglichkeit, wo er doch Pilot war, daß

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