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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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wir den Flur erreichten, fürchtete ich schon, Cyril wäre wieder lautstark am Schnarchen, aber aus meinem Zimmer hörte man keinen Laut. Cyril und Prinzessin Arjumand hockten sich stocksteif in der Mitte des Bettes gegenüber, Nase an Nase (wenn man bei Cyril überhaupt von so was reden konnte) und Auge in Auge.
    »Hier wird sich nicht angestiert«, sagte ich, zog meinen Morgenmantel aus und kroch ins Bett. »Es wird auch weder geschnarcht noch sich ausgebreitet.«
    Nichts davon wurde befolgt. Statt dessen stelzten beide, sich gegenseitig an den Schwänzen beschnüffelnd (wenn man bei Cyril überhaupt von so was reden konnte) mit mordlustigen Blicken ums Bett herum.
    »Ins Bett mit euch«, zischte ich und lag dann da und grübelte über die versehentliche Bombardierung Londons und was wir weiter tun sollten, nach.
    Logisch, daß es ein Krisenpunkt war. Nur zwei Flugzeuge waren daran beteiligt gewesen, und es hätte einer Kleinigkeit bedurft, um den Gang der Ereignisse zu ändern – die Piloten hätten Bodensicht bekommen und daran merken können, wo sie sich befanden, ihre Bomben hätten auf ein Gemüsekürbisfeld oder in den Ärmelkanal fallen können, englisches Flakfeuer hätte sie treffen können. Oder etwas noch Geringfügigeres, ein winziges Ereignis, das niemand bemerkte. So ist es eben in einem chaotischen System. Und deshalb konnten wir auch nicht wissen, was wir tun oder am besten lassen sollten, und wie unsere Handlungen Terences Heirat mit Maud beeinflussen würden.
    Cyril und Prinzessin Arjumand umkreisten immer noch das Bett. »Legt euch hin«, sagte ich. Erstaunlicherweise folgte Cyril dem Befehl und sprang mit einem Satz aufs Fußende des Bettes. Prinzessin Arjumand stolzierte über ihn hinweg, hockte sich genau neben seinen Kopf und hieb ihm kräftig die Krallen auf die Nase.
    Cyril erhob sich mit gekränkter Miene, worauf Prinzessin Arjumand sich auf dem frei gewordenen Platz ausstreckte.
    Wenn bloß alles so einfach wäre! Aktion und Reaktion, Ursache und Wirkung. Aber in einem chaotischen System ist die Wirkung nicht immer die, die man sich wünscht.
    Zum Beispiel wie bei dem Brief, den ich heute abend verbrannt hatte. Oder bei dem Kriegsschiff Nevada. Beim ersten Angriff auf Pearl Harbour war es beschädigt worden, sank aber nicht, sondern feuerte die Maschinen an, damit es aus dem Hafen herauskam und wieder manövrierfähig wurde. Das Resultat war, daß es beinahe im Ärmelkanal gesunken wäre, wo es monatelang den Zugang zum Londoner Hafen blockiert hätte.
    Um fünf nach sieben morgens, fünfzig Minuten vor dem Angriff auf Pearl Harbour hatte andererseits ein Radartechniker seinem Vorgesetzten telefonisch von einer großen Anzahl unidentifizierter Flugzeuge berichtet, die sich von Norden näherten. Der Offizier hatte gesagt, das sei unwichtig, er solle es ignorieren, und sich wieder schlafen gelegt.
    Und dann der Militärflugplatz Wheeler Field, wo man, um sie vor Sabotageakten zu schützen, die Flugzeuge in der Mitte des Feldes abgestellt hatte. Weshalb die Japaner genau zweieinhalb Minuten brauchten, um sie allesamt zu zerstören.
    ›Gott steckt im Detail‹ mochte Lady Schrapnells Motto sein. Meines lautete allmählich: ›Wie du’s machst, ist es falsch.‹
    Ich dachte immer noch über Pearl Harbour nach, als ich zum Frühstück hinunterging. Tossie stand mit Prinzessin Arjumand im Arm an der Anrichte, hob Deckel um Deckel von den silbernen Servierplatten hoch und ließ sie mit unbefriedigter Miene wieder fallen.
    Zum ersten Mal fühlte ich eine Art Mitgefühl mit ihr. Armes Ding, zu einem Leben voll unnützem Zeitvertreib und scheußlichem Frühstück verurteilt! Ein Leben, in dem sie nicht in die Schule gehen oder irgend etwas Sinnvolles tun durfte und außerdem noch Aalpastete essen mußte. Gerade dachte ich, daß ich bis jetzt zu voreilig über sie geurteilt hatte, als sie den Deckel mit dem knurrenden Wolf fallen ließ, die silberne Glocke packte, die daneben stand, und sie kräftig schüttelte.
    In der nächsten Sekunde erschien Baine, beladen mit Kokosnüssen, ein buntes Flaggentuch um die Schultern gehängt. »Sie wünschen, Miss?« fragte er.
    »Warum gibt es heute morgen keinen Fisch zum Frühstück?«
    »Mrs. Posey hat alle Hände voll mit den Kuchen und den Erfrischungen fürs Kirchfest morgen zu tun, Miss«, erwiderte Baine. »Ich sagte ihr deshalb, vier warme Gerichte würden genügen.«
    »Es genügt aber nicht«, schnappte Tossie.
    Jane kam herein, die Arme voll

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