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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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nicht das erste Mal.« Ihre Stimme klang anklagend. »Das erste Mal war in Dunworthys Büro, und Sie waren vollkommen rußverschmiert. Trotzdem sahen Sie bewunderungswürdig aus, auch wenn Ihr Mund offenstand.« Abwägend betrachtete sie mich. »Tragen Sie einen Schnurrbart?«
    »Nein.« Ich führte sie zu den Stufen des Pavillons. »Ich möchte jetzt, daß Sie mir haarklein erzählen, was in Oxford geschah. Warum mußten Sie zwölfmal springen?«
    »Siebenmal. T. J. wollte die Schlupfverluste im Mai und August 1888 messen. Er hält nach Gebieten Ausschau, in deren Umfeld sich die Verluste rapide erhöhen.« Inzwischen redete sie wieder mehr zusammenhängend, und ich überlegte, ob die Symptome nur vorübergehender Natur gewesen waren.
    »T. J. meint, unsere Inkonsequenz passe nicht ins Muster«, sagte sie. »Eigentlich müßte um den Mittelpunkt ein Gebiet mit langsam steigendem Schlupfverlust entstehen. Wissen Sie, warum Napoleon die Schlacht bei Waterloo verlor? Weil es regnete. Eimer nämlich.«
    Nein. Es waren keine vorübergehenden Symptome.
    »Warum hat T. J. Sie geschickt?« wollte ich wissen. »Warum nicht Carruthers?«
    »Weil sie ihn nicht mehr rausbekommen.«
    »Falsch. Es ist der Rekrut, den sie nicht mehr rausbekommen.«
    Sie schüttelte heftig den Kopf. »Carruthers.«
    Ich wußte nicht, ob ihre Worte stimmten, oder ob sie nur verwirrt war. Oder ob wir über dasselbe sprachen. In Anbetracht ihrer Probleme, Töne zu unterscheiden und deutlich zu sehen und dem Geräusch von Flakfeuer, das zweifellos in ihren Ohren wummerte, konnte es durchaus sein, daß sie eine völlig andere Konversation als ich führte.
    »Verity, ich muß Sie…« Wegbringen, ja. Aber wohin? Sie brauchte dringend Schlaf, aber es gab keine Möglichkeit, sie unbeobachtet durch das Minenfeld zu bugsieren, das zwischen Pavillon und Haupthaus lag. Auf dem Rasen würde Reverend Arbitage die Dienstboten überwachen und Mrs. Mering den Reverend. Tossie war vielleicht schon von ihrem Besuch bei den Chattisbournes zurückgekehrt und hielt nach ein paar Einfaltspinseln Ausschau, die mit ihr Crocket spielen wollten.
    Der Stall? Nein, dazu mußten wir auch ein Stück Rasen überqueren. Vielleicht war es das beste, einfach im Pavillon zu bleiben und Verity zu bewegen, sich auf eine der Bänke zu legen.
    »Und was ist eigentlich so schlimm an einem Großen Plan, möchte ich mal wissen?« klang Professor Peddicks Stimme vom Fischteich her. »Natürlich ist Overforce außerstande, sich einen Großen Plan vorzustellen. Seine Vorstellung von Plan ist, seinen Hund abzurichten, von Bäumen herunter auf unschuldige Zeitgenossen zu springen.«
    »Kommen Sie, Verity«, sagte ich und zog sie hoch. »Hier können wir nicht bleiben.«
    »Wo gehen wir hin?« fragte sie. »Doch nicht etwa zum Basar? Ich hasse Basare. Ich hasse Muscheln und Stickereien, Spitzen und Verschnörkeltes und die Perlen, die sie auf alles draufnähen. Warum können sie die Dinge nicht so lassen, wie sie sind?«
    »Wir sind nicht imstande, den Großen Plan zu sehen, weil wir ein Teil von ihm sind.« Professor Peddicks Stimme kam näher. »Kann der Faden im Webstuhl das Muster im Stoff erkennen? Der Soldat die Strategie der Schlacht, in der er kämpft?« Ich beeilte mich, Verity aus dem Pavillon und hinter die Fliederbüsche zu bringen.
    »Kommen Sie«, sagte ich und nahm ihre Hand, als wäre sie ein Kind. »Wir gehen jetzt hier lang. Diese Richtung.«
    Ich führte sie hinter dem Flieder vorbei den Weg entlang, der zum Fluß hinunterführte. Cyril und Prinzessin Arjumand folgten uns. Die Katze strich uns um die Beine, während wir gingen, und verlangsamte unser Fortkommen.
    »Cyril«, flüsterte ich. »Geh und such Terence.«
    »Gute Idee«, meinte Verity. »Es gibt da einiges, was ich Terence sagen muß. ›Terence‹, werde ich zu ihm sagen, ›wie können Sie eine Frau lieben, die Ihren Hund haßt?‹«
    Wir erreichten den Treidelpfad. »Pscht«, machte ich und horchte auf Professor Peddick.
    »Durch Kunst, durch Geschichte, erhaschen wir einen Schimmer des Großen Planes.« Seine Stimme klang entfernter. »Aber nur für einen winzigen Augenblick. ›Wie unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforschlich seine Wege.‹« [59] Er wurde immer leiser. Offenbar gingen sie auf das Haupthaus zu.
    »Ich wette, Maud Peddick liebt Hunde«, sagte Verity. »Sie ist ein reizendes Mädchen. Sie führt kein Tagebuch, sie ist Patriotin…«
    An der Anlegestelle war kein Mensch. Ich schob

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