Die Farben der Zeit
Verity rasch zum Ufer hinunter.
»Ein Gedicht wurde nach ihr benannt«, fuhr Verity fort. »›Komm in den Garten, Maud, ich warte an der Pforte.‹ Stammt von Tennyson. Terence liebt es, Tennyson zu zitieren. Wenn Maud Peddick aufschreit, dann klingt es wie ein echter Schrei und nicht wie das Quieken eines Babys. Oh, fahren wir mit dem Boot?«
»Ja.« Ich half ihr hinein. »Setzen Sie sich.«
Leicht schwankend stellte sie sich in den Bug, den Blick gedankenverloren aufs Wasser gerichtet. »Lord Peter lud Harriet auch zu einer Bootsfahrt ein«, sagte sie. »Sie fütterten die Enten. Füttern wir auch Enten?«
»Aber sicher«, sagte ich und griff nach der Leine. »Setzen Sie sich.«
»Sehen Sie mal!« Sie zeigte aufs Ufer. »Die beiden wollen mitkommen. Ist das nicht süß?«
Ich schaute zum Ufer. Cyril und Prinzessin Arjumand standen Seite an Seite an der kleinen Anlegestelle.
»Kann Cyril nicht mit?« fragte sie.
Der Gedanke, seinen zentnerschweren Körper zu retten, wenn er über Bord ging, war nicht eben erfreulich. Andererseits, wenn wir die beiden mitnahmen, war der Schwarze Maure außer Gefahr. Und falls Finch vorhatte, Prinzessin Arjumand zu ersäufen, war sie bei mir sicher aufgehoben.
»Also gut«, sagte ich und wuchtete Cyril ins Boot, jeweils zwei Beine auf einmal.
Prinzessin Arjumand drehte sich prompt um, streckte ihren niedlichen Schwanz in die Höhe und wollte in Richtung Fischteich verschwinden.
»Hiergeblieben«, sagte ich, packte sie und reichte sie Verity, die noch aufrecht stand. Dann löste ich die Leine.
»Setzen Sie sich«, sagte ich und stieß das Boot ab. Verity plumpste auf die Bank, die Katze im Arm. Ich sprang ins Boot, nahm die Ruder und begann in Richtung Strömung zu rudern.
Wenn ich stromabwärts ruderte, konnte ich Verity rascher außer Sichtweite bringen, aber dann würden wir am Haus und einem Großteil des Rasens vorbeikommen, und ich wollte nicht, daß uns irgend jemand sah. Also wendete ich das Boot stromaufwärts und ruderte so rasch von Muchings End fort, wie ich nur konnte. Auf dem Fluß waren eine Menge anderer Boote. Aus einem von ihnen winkte uns jemand fröhlich zu, und Verity winkte zurück. Ich ruderte schneller und hoffte, daß es nicht eines der Chattisbournemädchen gewesen war.
Eigentlich hatte ich geglaubt, auf dem Fluß sicher zu sein, aber ich hatte vergessen, wie viele Menschen nachmittags Boot fuhren und fischen gingen. Es war offensichtlich, daß wir hier nicht sicher waren, und hielt nach einem ruhigen Seitenarm oder totem Gewässer Ausschau, in das wir abbiegen konnten.
»Ich dachte, wir würden Enten füttern«, sagte Verity anklagend. »Lord Peter und Harriet fütterten Enten.«
»Das werden wir auch. Versprochen ist versprochen«, sagte ich. Am anderen Ufer sah ich eine Gruppe Trauerweiden, deren Zweige tief über dem Wasser hingen. Ich ruderte hinüber.
»Glauben Sie an Liebe auf den ersten Blick?« fragte Verity. »Ich bis jetzt nicht. Und dann sah ich Sie da stehen, völlig mit Ruß bedeckt – wann werden wir denn nun Enten füttern?«
Ich ruderte unter die Weiden, wobei ich mit dem Ruder gegen das Ufer stieß, um das Boot zu wenden und es nahe an die Böschung zu bringen. Von hier aus konnte uns vom Fluß aus keiner mehr sehen. Die Äste der Weiden verbargen uns wie eine blaßgrüne Laube. Durch die Blätter schimmerte die Sonne wie das Netz, wenn es sich gerade öffnete.
Ich legte die Ruder beiseite und warf die Leine über einen tiefhängenden Ast. Hier würden wir ungestört sein.
»Verity?« fragte ich, wußte aber, daß es hoffnungslos war. »Was haben Sie in Oxford herausgefunden?«
Sie spielte mit Prinzessin Arjumand, indem sie die Bänder ihres Hutes vor ihr baumeln ließ.
»Haben Sie mit der Gerichtsmedizinerin gesprochen?« bohrte ich. »Hat sie herausgefunden, wer Mr. C ist?«
»Ja«, sagte sie.
»Ja? Sie wissen, wer Mr. C ist?«
Sie runzelte die Stirn. »Nein. Ich meine, ja, ich sprach mit ihr.« Sie setzte ihren Hut ab und begann, eines der Bänder abzumachen. »Sie sagte, der Name hätte zwischen sieben und zehn Buchstaben und der letzte sei ein N oder M.«
Also war es nicht Mr. Chips. Und auch nicht Lewis Carroll.
»Ich sagte ihr, sie solle aufhören, nach Hinweisen auf Prinzessin Arjumand zu suchen«, fuhr Verity fort, »und sich auf Mr. C und das Datum konzentrieren, an dem der Ausflug nach Coventry stattfand.« Inzwischen war das Band ab, und sie schwenkte es vor Prinzessin Arjumand hin und
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