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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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der Konsole saß Miss Warder und verhörte den neuen Rekruten.
    »Ich weiß nur«, sagte er, »daß er sagte: ›Ich kann es nicht riskieren, Sie zurückzulassen. Auf, ins Netz‹, und das befolgte ich.«
    »Und Carruthers sagte nicht, daß er noch etwas zu erledigen habe, bevor er nachkäme? Etwas zu überprüfen?«
    Der Rekrut schüttelte den Kopf. »Er sagte, er käme direkt nach mir.«
    »Befand sich irgend jemand in der Nähe?«
    Wieder schüttelte er den Kopf. »Die Sirenen heulten. Und in diesem Teil der Stadt ist keine Menschenseele. Er ist völlig niedergebrannt.«
    »Die Sirenen heulten?« fragte Miss Warder. »Gab es einen Angriff? Könnte eine Bombe…« Plötzlich schaute sie hoch und entdeckte mich. »Was machen Sie denn hier? Was ist mit Kindle passiert?«
    »Fortgeschrittene Zeitkrankheit, dank Ihnen allen hier«, sagte ich und suchte aus den Schleiern freizukommen. »Wo ist Dunworthy?«
    »Drüben im Corpus Christi College, bei der Gerichtsmedizinerin«, erwiderte sie.
    »Gehen Sie und sagen Sie ihm, daß ich hier bin und mit ihm sprechen möchte«, sagte ich zu dem neuen Rekruten.
    »Ich bemühe mich gerade, herauszufinden, was mit Carruthers passiert ist«, sagte Miss Warder. »Sie können nicht einfach hier hereinschneien und…«
    »Es ist wichtig.«
    »Carruthers auch!« blaffte sie. Sie wandte sich an den Rekruten. »Waren irgendwelche Spätzünder in der Nähe?«
    Der Rekrut blickte unsicher von ihr zu mir. »Ich weiß nicht.«
    »Was heißt das, Sie wissen es nicht?« fragte Miss Warder zornig. »Was war mit den Gebäuden und den Ruinen ringsum? Waren sie stabil? Und sagen Sie mir nicht, daß Sie das auch nicht wissen.«
    »Am besten, ich hole Mr. Dunworthy«, entgegnete der Rekrut.
    »Meinetwegen«, schimpfte Miss Warder. »Kommen Sie sofort wieder zurück. Ich habe noch mehr Fragen.«
    Der Rekrut suchte schleunigst das Weite, wobei er fast mit T. J. zusammenstieß, der mit einem Stapel Bücher, Videos und Disketten hereinkam. »Ah, gut«, sagte er, als er meiner ansichtig wurde. »Ich möchte Ihnen beiden…« Er schaute sich um. »Wo ist Verity?«
    »In 1888. Zeitkrank dank der vielen Sprünge, die sie für Sie erledigt hat.«
    »Sie brachten überhaupt nichts zutage«, meinte er und versuchte, den Stapel abzusetzen, ohne daß er ihm umkippte, »was irgendeinen Sinn ergab. Um das Gebiet herum muß es einfach erhöhten Schlupfverlust geben. Hier, schauen Sie mal!«
    Er wollte mich gerade zu der Computeranlage führen, als ihm etwas einfiel. Er ging zur Konsole hinüber und fragte: »Gab es Verluste bei Neds Sprung?«
    »Ich hatte noch keine Zeit, das auszurechnen«, erwiderte Miss Warder. »Die ganze Zeit über probierte ich, Carruthers herauszubekommen!«
    »Schon gut!« T. J. hob entschuldigend die Hände. »Könnten Sie es jetzt ausrechnen?« Er wandte sich an mich.
    »Ned, ich möchte Ihnen zeigen…«
    »Was soll das Gerede über Schlupfverluste bei meinem Sprung?« fragte ich. »Es gibt nie Verluste bei der Rückkehr.«
    »Bei Veritys letztem Sprung schon«, sagte T. J.
    »Und die Ursache?«
    »Wissen wir noch nicht. Wir arbeiten noch daran. Kommen Sie her. Ich will Ihnen zeigen, was wir gerade machen.« Er führte mich zur Computeranlage. »Hat Verity Ihnen von den Simulationen zu Waterloo erzählt?«
    »Mehr oder weniger.«
    »Also, es ist ausgesprochen schwierig, eine exakte Simulation von einem historischen Ereignis anzufertigen, weil es meist zu viele unbekannte Faktoren gibt, aber Waterloo bildet eine Ausnahme. Die Schlacht ist durch und durch analysiert, und jedes Ereignis mikroskopisch genau beschrieben worden. Demnach«, sagte er, während seine schwarzen Finger die Tastatur bearbeiteten, »kennen wir verschiedene Krisenpunkte und eine Anzahl Faktoren, an denen die Schlacht eine entscheidende Wende hätte nehmen können – die heftigen Regenfälle am sechzehnten und siebzehnten Juni oder daß General Grouchy nicht erschien…«
    »Napoleons miserable Handschrift«, warf ich ein.
    »Genau. Napoleons Nachricht an d’Erlon und daß er Hougoumont nicht einnehmen konnte. Und noch anderes mehr.«
    Er tippte weiter, dann drehte er sich um und betrachtete die Monitore, die sich hinter ihm befanden.
    »Ah, da ist es ja.« Er nahm einen Laserpointer und ging hinüber zum Hauptschirm. »Dies hier ist eine Simulation der Ereignisse bei Waterloo, wie sie wirklich passiert sind.«
    Der Schirm zeigte ein dreidimensionales graues Flimmern mit helleren und dunkleren Gebieten. »Hier ist

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