Die Farben der Zeit
Verlobungen. Was meinen Sie dazu, Henry?«
»Daß kleine Lauscher große Ohren haben.« Ich blickte zu Eglantine, die in der Nähe der Schatzsuche stand und die Hände hinterm Rücken verschränkt, nachdenklich die Quadrate betrachtete.
»Hübsches kleines Ding, aber null Ahnung von Geschichte«, meinte Professor Peddick, der den Hinweis nicht begriff. »Denkt, Nelson verlor seinen Arm, als er gegen die Spanische Armada kämpfte.«
»Wollen Sie auch graben?« fragte Eglantine und kam zu uns.
»Graben?«
»Nach dem Schatz«, sagte sie.
»Wie einst Professor Schliemann im alten Troja.« Der Professor hob die kleine Schaufel auf. »›Fuimus Troes; fuit Ilium.‹«
»Zuerst müssen Sie zwei Penny bezahlen«, sagte Eglantine. »Und eine Zahl wählen.«
»Eine Zahl?« Professor Peddick wühlte in seiner Tasche, bis er zwei Penny fand. »Gut, gut. Fünfzehn für den Tag und das Jahr, an dem die Magna Charta unterzeichnet wurde.« Er ließ das Geld fallen. »Der fünfzehnte Juni 1215.«
»Das ist morgen«, sagte ich. »Es gäbe doch kaum ein passenderes Datum für uns, um nach Runnymede zu gehen, als dieser Jahrestag der Unterzeichnung. Wir könnten Ihrer Schwester telegrafieren, daß sie uns dort treffen möchten, und morgen früh mit dem Boot losrudern.«
»Zu viele Ausflügler«, erwiderte Professor Peddick. »Vertreiben die Fische.«
»Fünfzehn ist keine gute Zahl«, sagte Eglantine. »Ich hätte neun gewählt.«
»Nimm.« Professor Peddick reichte ihr die Schaufel. »Grab du für mich.«
»Darf ich behalten, was ich finde?«
»Wir teilen uns die Beute«, sagte er. »›Fortuna belli semper anticipiti in loco est.‹«
»Was kriege ich, wenn nichts im Feld fünfzehn liegt?«
»Limonade und Kuchen im Teezelt«, sagte Professor Peddick.
»Es liegt nichts in fünfzehn.« Eglantine begann trotzdem zu graben.
»Ein schicksalhafter Tag, der fünfzehnte Juni«, meinte Professor Peddick und schaute ihr zu. »Am fünfzehnten Juni 1814 marschierte Napoleon mit seiner Armee in Belgien ein. Wäre er nach Ligny vorgedrungen, anstatt in Fleurus zu halten, hätte er eine Bresche zwischen die Armeen von Wellington und Blücher geschlagen und die Schlacht von Waterloo gewonnen. Ein Tag, der den Lauf der Weltgeschichte für immer veränderte, dieser fünfzehnte Juni.«
»Ich sagte Ihnen, es liegt nichts im Feld fünfzehn«, maulte Eglantine. »Ich glaube, in keinem Feld liegt irgendwas. Wann bekomme ich meine Limonade und den Kuchen?«
»Gleich, wenn du möchtest.« Professor Peddick nahm sie beim Arm und führte sie zum Teezelt. Endlich hatte ich Gelegenheit, nach Oxford zu springen.
Ich hatte aber noch keine drei Schritte in Richtung Gartenpavillon getan, als ich von Mrs. Chattisbourne aufgehalten wurde. »Mr. Henry«, sagte sie. »Haben Sie Eglantine gesehen?«
Ich sagte ihr, ihre Tochter sei im Teezelt.
»Ich nehme an, Sie haben bereits die erfreuliche Nachricht von Miss Merings und Mr. St. Trewes’ Verlobung gehört«, sagte sie.
Ich bejahte es.
»Juni ist der perfekte Monat, um sich zu verloben, meinen Sie nicht auch, Mr. Henry? Und so viele hübsche junge Mädchen hier in der Nähe. Es würde mich nicht wundern, wenn Sie sich ebenfalls bald verloben würden.«
Ich sagte ihr noch einmal, daß Eglantine im Teezelt sei.
»Vielen Dank«, erwiderte sie. »Oh, falls Sie Finch sehen, sagen Sie ihm doch bitte, daß wir am Kuchenstand fast keinen Pastinakenwein mehr haben.«
»Wird gemacht, Mrs. Chattisbourne.«
»Finch ist ein so wunderbarer Butler«, fuhr sie fort. »So umsichtig. Wissen Sie eigentlich, daß er bis nach Sowester fuhr, nur um Gewürzkuchen für den Kuchenstand zu besorgen? Er verbringt jede freie Minute damit, landauf und landab zu reisen, um nach Delikatessen Ausschau zu halten. Gestern holte er bei Farmer Bilton Erdbeeren. Er ist einfach phantastisch. Der beste Butler, den wir je hatten. Ich halte Tag und Nacht Ängste aus, daß er uns bald abgeworben werden könnte.«
Ängste, die unter den gegebenen Umständen berechtigt sind, dachte ich und fragte mich, was Finch wirklich in Sowester und bei Farmer Bilton gesucht hatte. Und ob Mrs. Chattisbourne mich jemals wieder in Ruhe lassen würde.
Schließlich ging sie, aber nicht, bevor nicht Pansy und Iris aufgetaucht waren, die kichernd zwei Penny auf drei und dreizehn setzten (ihre Glückszahlen). Es dauerte nahezu eine halbe Stunde, bis ich die drei wieder los war, und inzwischen mußte Eglantine jeden Moment zurückkommen.
Ich rannte zur
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