Die Farben der Zeit
Gerichts liegt vielleicht für uns alle nur einen Schritt entfernt«, sagte Reverend Arbitage, die Lippen schürzend. »›Fürchtet Gott, und erweist ihm die Ehre! Denn die Stunde seines Gerichts ist gekommen.‹ Offenbarung, vierzehntes Kapitel, Vers sieben.«
Er war wirklich ein Kriecher. Etepetete, selbstgerecht, langweilig. Der perfekte Partner für Tossie. Und andere schienen auch nicht in Sicht zu sein.
»Arbitage«, sagte ich. »Ist das Ihr vollständiger Name?«
»Bitte?«
»Es gibt heutzutage so viele Menschen mit Doppelnamen«, sagte ich. »Edward Burne-Jones, Elizabeth Barrett Browning, Edward Bulwer-Lytton. Ich dachte, Arbitage sei vielleicht eine Kurzform für Arbitage-Culpep-per oder Arbitage-Chutney.«
»Arbitage ist mein vollständiger Name«, erwiderte er, sich zu voller Größe aufrichtend. »Eustace Hieronymus Arbitage.«
»Und auch kein Spitzname? Nein, sicher nicht, bei Ihrem Beruf«, setzte ich hinzu. »Aber vielleicht in Kindertagen? Meine Schwester nannte mich immer Curls, wegen meiner Babylocken. Hatten Sie lockiges Haar?«
»Ich glaube, ich war bis zum Alter von drei Jahren ziemlich kahl«, sagte Reverend Arbitage.
»Aha. Chuckles vielleicht? Oder Chubby?«
»Mr. Henry«, sagte Mrs. Mering. »Reverend Arbitage möchte uns das Ergebnis des Festes mitteilen.«
»Also«, sagte der Reverend und zog ein in Leder gebundenes Notizbuch aus der Tasche, »wenn man die Unkosten abzieht, bleiben unterm Strich achtzehn Pfund, vier Schilling und acht Pence, mehr als genug, um die Wandgemälde übertünchen und eine neue Kanzel bauen zu lassen. Vielleicht bleibt sogar noch genug übrig, um ein Ölgemälde für die Marienkapelle zu kaufen. Vielleicht einen Holman-Hunt.«
»Was ist Ihrer Meinung nach der Zweck von Kunst, Mr. Arbitage?« fragte Tossie plötzlich.
»Zu erbauen und zu belehren«, sagte er prompt. »Alle Kunst sollte eine Moral ausdrücken.«
»Wie ›Das Licht der Welt‹«, [73] sagte Tossie.
»Ja. ›Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an… ‹ Offenbarung Kapitel drei, Vers zwanzig.« Er wandte sich an Mrs. Mering. »Darf ich Reverend Chichester sagen, daß er mit Ihrer Hilfe rechnen kann?«
»Ich fürchte, nein«, sagte Mrs. Mering. »Wir reisen übermorgen nach Torquay.«
Verity schaute hoch wie vor den Kopf geschlagen. Der Colonel ließ die Zeitung sinken.
»Meine Nerven.« Mrs. Mering warf Professor Peddick einen erbitterten Blick zu. »Zuviel Aufregendes ist in den letzten Tagen geschehen. Ich muß unbedingt Doktor Fawleigh aufsuchen. Sie haben vielleicht schon von ihm gehört. Er ist ein Experte auf dem Gebiet des Spiritismus. Und von dort aus werden wir nach Kent fahren, um Mr. St. Trewes Eltern kennenzulernen und die Hochzeit zu planen.«
»Ach, so«, sagte Reverend Arbitage. »Aber bis August werden Sie doch hoffentlich wieder zurück sein. Unser Sommerfest war ein solcher Erfolg, daß ich beschlossen habe, auch ein Fest am St. Bartholomäustag abzuhalten, und wir brauchen dazu auf jeden Fall eine Wahrsagerin. Und einen Wohltätigkeitsbasar. Mrs. Chattisbourne war eigentlich mehr für ein Whistturnier, aber ich sagte ihr, daß der Wohltätigkeitsbasar unbedingt Tradition werden muß. Und das alles Dank Ihnen. Ich habe bereits Sachen dafür gesammelt. Miss Stiggins hat einen Stiefelknecht gespendet, und meine Großtante sendet mir einen Kupferstich der Schlacht von Naseby.«
»Ah ja, Naseby!« sagte Professor Peddick. »Prinz Ruperts Kavallerieangriff. Ein klassisches Beispiel, wie jemand schon fast den Sieg in der Tasche hat und plötzlich doch noch verliert, und das alles nur aus mangelnder Voraussicht.«
Es entspann sich ein kleines Gespräch über die Nachteile unüberlegten Handelns, dann segnete Reverend Arbitage uns alle und verabschiedete sich.
Tossie nahm kaum Notiz davon. »Ich bin ziemlich müde«, sagte sie, sobald Baine den Reverend hinausgebracht hatte. Sie küßte erst ihren Vater, dann ihre Mutter.
»Du bist so blaß«, sagte Mrs. Mering. »Die Seeluft wird dir guttun.«
»Ja, Mama«, erwiderte Tossie mit einer Stimme, als dächte sie an etwas ganz anderes. »Gute Nacht.« Dann stieg sie die Treppe hoch.
»Es wird Zeit, daß wir uns alle zur Ruhe begeben«, meinte Mrs. Mering und erhob sich. »Es war ein langer und…« – sie fixierte Professor Peddick mit einem Blick so durchdringend wie ein Handbohrer – »ereignisreicher Tag für uns alle, und du, Mesiel, mußt morgen früh aufstehen, um Professor Peddick auf seiner Reise zu
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