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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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begleiten.«
    »Zu begleiten?« stotterte Colonel Mering. »Kann meinen rotgepunkteten Silbertancho doch nicht allein lassen.«
    »Ich bin sicher, daß es auch dein Wunsch ist, daß Professor Peddick nicht plötzlich wieder von der Bildfläche verschwindet«, sagte Mrs. Mering bestimmt. »Ich bin sicher, daß du nicht dafür verantwortlich sein möchtest, daß eine Familie ein zweites Mal uninformiert und aller Hoffnung beraubt bleibt.«
    »Nein, natürlich nicht«, entgegnete Colonel Mering bezwungen. »Freut mich, Sie nach Hause bringen zu dürfen, Professor Peddick.«
    Während sie mit Baine über die Abfahrtszeiten sprachen, ging ich zu Verity und flüsterte: »Sobald ich Cyril morgen früh in den Stall gebracht habe, werde ich nach Oxford springen.«
    Sie nickte wie betäubt. »In Ordnung.« Ihr Blick schweifte noch einmal umher, als hoffte sie, Mr. C erschiene doch noch. »Gute Nacht«, sagte sie dann und ging die Treppe hoch.
    »Komm, Cyril.« Terence warf mir einen bedeutungsvollen Blick zu. »Zeit für dich, in den Stall zu gehen«, aber ich schenkte ihm keine Beachtung. Ich schaute auf den Schreibtisch, wo Tossie ihr Tagebuch hatte liegenlassen.
    »Ich bin gleich oben«, sagte ich und stellte mich seitwärts davor. »Ich will mir nur noch ein Buch aussuchen.«
    »Bücher!« bemerkte Mrs. Mering. »Entschieden zu viele Menschen lesen heutzutage Bücher!« und rauschte aus dem Zimmer.
    »Komm mit, Cyril«, sagte Terence. Cyril taumelte hoch. »Regnet’s immer noch, Baine?«
    »Ich fürchte ja, Sir«, erwiderte Baine und ging, ihnen die Haustür zu öffnen.
    »Picketts Angriff!« sagte Professor Peddick zu Colonel Mering. »Die Schlacht von Gettysburg im amerikanischen Bürgerkrieg. Ein weiteres exzellentes Beispiel für unüberlegtes Handeln! Was sagt Overforce zu Picketts Angriff?« Und die beiden schritten aus dem Zimmer.
    Ich schloß die Salontür hinter ihnen und eilte zum Sekretär. Das Tagebuch lag offen, der Federhalter und der nelkenförmige rosa Federhalterwischer verdeckten zwei Drittel des Blattes. Oben stand in verschnörkelter Handschrift: »15. Juni«, und darunter: »Heute fuhren wir nach Cov…«
    Ich hob den Federhalterwischer. »… entry« las ich, das Y verlor sich im Nichts. Was immer sie auch schreiben wollte, um ihrer Nachkommenschaft den großen Tag zu schildern, sie hatte es noch nicht geschrieben, aber vielleicht gab es in früheren Einträgen Hinweise auf Mr. C.
    Ich schloß das Tagebuch, zog Gibbons Verfall und Untergang des Römischen Reiches, Band Eins und Zwei aus dem Regal hinter dem Sekretär und schob das Tagebuch zwischen die beiden Bände. Dann drehte ich mich mit den Büchern in der Hand um.
    Baine stand hinter mir. »Ich bringe Miss Merings Tagebuch gern nach oben zu ihr, damit Sie sich nicht die Mühe machen müssen, Sir«, sagte er.
    »Ausgezeichnet«, erwiderte ich und zog es zwischen den Gibbonausgaben hervor. »Ich wollte es ihr gerade bringen.«
    »Wie Sie wünschen, Sir.«
    »Nein, nein«, sagte ich. »Bringen Sie es hoch. Ich glaube, ich mache vorm Zubettgehen noch einen kleinen Spaziergang.« Eine deutlich lächerliche Bemerkung, denn der Regen schlug gegen die Verandatüren, und eine, der er genauso wenig glauben würde wie die, daß ich Tossies Tagebuch hatte zu ihr hochbringen wollen. Aber er sagte nur: »Wie Sie wünschen, Sir.«
    »Kam heute abend jemand an die Haustür?« fragte ich. »Abgesehen von Reverend Arbitage?«
    »Nein, Sir.«
    »Oder an die Küchentür? Ein Hausierer? Oder jemand, der Schutz vor dem Unwetter suchte?«
    »Nein, Sir. Ist das alles, Sir?«
    Ja, das war dann alles. Und in einigen Jahren? Die Luftwaffe würde die Royal Airforce hinwegfegen, und die Deutschen würden in Dover landen, und Tossie und Terences Enkel würden am Strand und in Gräben und in Christ Church Meadow und in Iffley gegen sie kämpfen, aber ohne Erfolg.
    Die Nazis würden ihre Fahnen vom Balkon des Buckingham Palace flattern lassen und im Paradeschritt durch Muchings End und Oxford und Coventry marschieren. Nun, wenigstens würde Coventry nicht in Flammen aufgehen. Nur das Parlamentsgebäude. Und die Zivilisation.
    Bis das Raumzeitkontinuum sich schließlich selbst reparieren würde. Wenn nicht Hitlers Wissenschaftler vorher die Zeitreise entdeckten.
    »Ist das alles, Sir?« fragte Baine erneut.
    »Ja«, sagte ich. »Das ist alles«, ging und öffnete die Tür. Regen stob herein, und irgendwie schien es passend, kalt und naß zu werden. Ich wollte

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