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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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zurückzurennen, geschweige denn »Kommen nicht durch« und unsere Koordinaten auf den Schein zu kritzeln. »Wir müssen aufs nächste Mal warten«, sagte ich.
    Verity hörte mir nur halb zu. Sie beobachtete das wachsende Glühen im Gras, trat in seine Mitte und gab mir Zeichenblock und Stift.
    »Sehen Sie?« sagte sie. Das Glühen wurde augenblicklich schwächer. »Es öffnet sich immer noch nicht«, und weg war sie, in einem Schimmer Wassertröpfchen verschwunden.
    Na also. Das Kontinuum war nicht zusammengebrochen, zumindest jetzt noch nicht, und wir waren nicht hier gefangen. Was sicher auch das Beste war. Ich verabscheute Kedgeree wirklich, und Crocketspielen war absolut öde. Und falls St. Michael’s ein Indikator war, würde der Spätsommer Basare und Kirchenfeste en masse bringen.
    Ich schaute auf meine Taschenuhr. Es war halb X. Ich mußte ins Haus zurück, bevor mich jemand sah und mich fragte, warum ich mich hier draußen herumtrieb, und mit etwas Glück konnte ich noch ein paar geschmorte Nierchen oder geräucherte Bücklinge aus dem Gasthof Zum Hirschen am Bai ergattern.
    Ich machte mich auf zum Steingarten und wäre beinahe Baine in die Arme gelaufen. Er schaute mit grimmigem Gesicht auf die Themse hinaus, und ich ließ meine Augen forschend über den Fluß schweifen, ob Prinzessin Arjumand vielleicht in seiner Mitte mit ihren weißen Pfötchen Wasser trat.
    Ich sah sie nicht, aber Baine würde mich jeden Augenblick sehen. Ich duckte mich hinter die Fliedersträucher, wobei ich versuchte, nicht mit den Blättern zu rascheln – und wäre fast von neuem auf Prinzessin Arjumand getreten.
    »Mrriuuh« machte sie laut. »Mrreoh.«
    Baine wandte sich um und schaute stirnrunzelnd zum Flieder.
    »Mrroh.« Pscht, sagte ich lautlos und legte den Finger auf die Lippen. Prinzessin Arjumand fing an, sich laut miauend an meinem Bein zu reiben. Ich beugte mich hinunter, um sie hochzuheben und stieß gegen einen abgestorbenen Zweig. Er brach mit lautem Geraschel seiner dürren Blätter.
    Baine begann sich in Richtung Flieder zu bewegen und ich, mir Erklärungen auszudenken. Ein verlorengegangener Crocketball? Und wieso sollte ich morgens um neun Uhr mit mir selbst Crocket spielen? Schlafwandeln? Nein, ich war vollständig angekleidet. Ich schaute sehnsüchtig zum Pavillon zurück, schätzte die Entfernung und Zeit bis zum nächsten Rendezvous. Beides lag zu weit. Und wie ich Prinzessin Arjumand kannte, würde sie in letzter Sekunde herbeigestakst kommen und eine weitere Inkonsequenz im Kontinuum verursachen. Es lief also auf den verlorengegangenen Crocketball hinaus.
    »Mrirrh«, machte Prinzessin Arjumand, und Baine hob die Arme, um die Fliederzweige zu teilen.
    »Baine, kommen Sie sofort zu mir«, rief Tossie vom Treidelpfad her. »Ich möchte mit Ihnen sprechen.«
    »Jawohl, Miss.« Baine ging zu der Stelle, wo sie in Rüschen, Falten und Spitzen gekleidet stand, das Tagebuch in der Hand.
    Ich nutzte die Gelegenheit, um Prinzessin Arjumand hochzuheben und paar Schritte tiefer in die Fliedersträucher hineinzutauchen. Die Katze kuschelte sich an meine Brust und begann laut zu schnurren.
    »Ja, Miss?« fragte Baine.
    »Ich verlange, daß Sie sich bei mir entschuldigen«, sagte Tossie aufgebracht. »Sie hatten kein Recht, gestern so zu mir sprechen.«
    »Das stimmt«, erwiderte Baine gemessen. »Es stand mir nicht zu, meine Meinung zu äußern, selbst wenn ich darum gebeten wurde, und deshalb entschuldige ich mich für mein Verhalten.«
    »Mreeeh«, sagte Prinzessin Arjumand. Während des Lauschens hatte ich vergessen, sie weiterzustreicheln, und sie legte sanft eine Pfote auf meine Hand. »Mroooh.«
    Tossie schaute sich verwirrt um, und ich duckte mich noch tiefer ins Gebüsch.
    »Geben Sie zu, daß es sich um ein wunderbares Kunstwerk handelte«, sagte Tossie.
    Eine lange Pause entstand, dann sagte Baine ruhig: »Wie Sie wünschen, Miss Mering.«
    Tossies Wangen röteten sich leicht. »Nicht ›Wie ich wünsche‹. Reverend Doult sagte, es sei…« – eine Pause -»›… es sei ein Beispiel für alles, was die moderne Kunst so erhaben mache‹: Ich habe seine Worte in mein Tagebuch geschrieben.«
    »Ja, Miss.«
    Ihre Wangen wurden röter. »Erdreisten Sie sich, einem Mann der Kirche zu widersprechen?«
    »Nein, Miss.«
    »Mein Verlobter, Mr. St. Trewes sagte auch, es sei außergewöhnlich.«
    »Ja, Miss«, sagte Baine ruhig. »Ist das alles, Miss?«
    »Nein, das ist nicht alles. Ich verlange, daß Sie zugeben,

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