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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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trug eine grobe Leinenschürze, ein Kopftuch und war mit einem Kartoffelschäler bewaffnet.
    »Gladys, ich muß unbedingt Mr. Finch, den Butler, sprechen«, sagte ich.
    »Mr. und Mrs. Chattisbourne sind nicht zu Hause«, sagte sie, und ich befürchtete schon, sie würde genauso wenig entgegenkommend sein, aber sie setzte hinzu: »Sie sind hinüber nach Donnington gefahren. Zum Galanteriewarenverkauf in der St. Markuskirche.«
    »Es ist Mr. Finch, den ich sprechen möchte. Hat er sie begleitet?«
    »Nein«, erwiderte sie. »Er ist hoch nach Little Rushlade, um Kohlköpfe zu kaufen. Ging heute morgen mit einem großen Korb los, um sie darin heimzutragen.«
    »Wann?« Ich überlegte, ob ich ihn noch einholen konnte.
    »Vor’m Frühstück, grad als es hell geworden ist. Was an den Kohlköpfen von Bauer Gamm an der Landstraße nicht stimmen soll, weiß ich nicht, aber Finch sagt, er will nur das Beste auf Mrs. Chattisbournes Tisch. Ich würd’ sagen, ein Kohlkopf ist wie der andre.« Sie zog eine Grimasse. »Der Weg dauert mindestens drei Stunden.«
    Drei Stunden! Es hatte keinen Sinn, ihm nachzulaufen, und er würde auch nicht bald genug zurückkehren, daß sich das Warten lohnte. »Sind Sie so nett und sagen ihm, wenn er zurückkommt, Mr. Henry von den Merings drüben wäre hier gewesen und würde sich freuen, ihn sofort zu sprechen?«
    Sie nickte. »Obwohl ich mir vorstellen kann, daß er ziemlich hinüber sein wird, wenn er heimkommt. Warum er ausgerechnet heute gehen mußte, nach dieser Nacht, die wir hinter uns haben, ist mir schleierhaft. Mrs. Marmelade hat heute nacht ihre Jungen bekommen, und wir brauchten ewig, um herauskriegen, wo sie sie versteckt hatte.«
    Ich überlegte, ob die Regel, nicht über Sex und seine Folgen zu sprechen, für die dienende Klasse nicht galt, oder ob sie nicht mehr galt, sobald die Jungen Tatsache geworden waren.
    »Letztes Mal war es der Kartoffelkeller«, sagte Gladys, »und wenn sie erstmal die Augen auf haben, kann man sie einfach nicht mehr finden und ersäufen. Und das Mal davor haben wir das Versteck überhaupt nicht rausgekriegt. Ist schon eine Schlaubergerin, unsre Mrs. Marmelade.«
    »Tja, nun… wenn Sie ihm freundlicherweise meine Nachricht übermitteln würden, sobald er zurück ist.« Ich setzte meinen Hut auf.
    »Und das Mal davor war es die Nähschachtel von Miss Pansy. Und davor die Schublade mit den Leinentüchern im Schrank im Obergeschoß. Diese Schlauberger wissen nämlich, daß wir ihnen die Jungen wegnehmen wollen, also verstecken sie sie an den unmöglichsten Orten. Als die Katze von Merings letzten Winter Junge bekam, versteckte sie sie im Weinkeller, und die Merings brauchten fast drei Wochen, um sie zu finden! Am Heiligabend war’s, als sie sie schließlich fanden, und dann ging die Jagd los, bis sie sie alle zusammenhatten. Die Katze von Witwe Wallace, wo ich mal im Dienst war, versteckte ihre Jungen sogar im Ofen!«
    Nach einer ganzen Reihe weiterer Anekdoten über findige Katzenmütter gelang es mir schließlich, zu entkommen und wie vom Teufel gejagt zum Gartenpavillon zurückzuhetzen.
    Zuerst sah ich Verity nicht und dachte, sie hätte es vielleicht noch einmal probiert, während ich weg war und Erfolg gehabt, aber sie saß auf der andern Seite des Pavillons unter einem Baum. Sie trug das weiße Kleid, in dem ich sie zuerst gesehen hatte, und ihr Nacken beugte sich graziös über ihren Zeichenblock.
    »Glück gehabt?« fragte ich.
    »Von wegen.« Sie erhob sich. »Wo ist Finch?«
    »Weg, in einem Nachbardorf Kohlköpfe kaufen«, sagte ich. »Ich habe ihm eine Nachricht hinterlassen, daß er, sobald er zurück ist, nach Muchings End kommen soll.«
    »Eine Nachricht«, sagte Verity. »Das ist eine gute Idee. Wir könnten versuchen, eine Nachricht zu senden.« Sie schaute überlegend auf den Zeichenblock. »Sie haben kein Papier mit durchs Netz gebracht, oder?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Alles, was ich mitbrachte, ging verloren, als das Boot kenterte. Nein, halt… Ich habe einen Geldschein.« Ich zog ihn aus meiner Tasche. »Aber womit sollen wir draufschreiben?«
    »Wir müssen einfach annehmen, daß ein Milliliter Kohle oder so ein unwichtiges Teilchen ist«, sagte sie und hielt den Stift Zeichenkohle hoch.
    »Der ist zu dick«, erwiderte ich. »Ich gehe zum Haus zurück und hole Feder und Tinte. Wann ist das nächste Rendezvous?«
    »Jetzt«, sagte Verity und zeigte auf die schimmernde Luft.
    Die Zeit reichte nicht mehr, um ins Haus und wieder

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