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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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die nächste Etappe meines Auftrags, und während dieser Zeit kam niemand durchs Netz.«
    »Könnte sie angekommen sein, ohne daß Sie sie bemerkt haben?« fragte ich. »Während dieses Gesprächs?«
    »Nein, Sir. Wir standen im Netzbereich, und Miss Warder ließ die Konsole nicht aus den Augen, wegen Carruthers.« Sein Gesicht war nachdenklich. »Hatten Sie irgendwelche Probleme mit dem Netz?«
    »Probleme?« sagte ich und vergaß ganz, meine Stimme gedämpft zu halten. »Wir haben mindestens fünf Stunden probiert, das Mistding aufzubekommen!«
    »Pscht«, machte Finch. »Nicht so laut«, aber es war sowieso unwichtig. Baines und Tossies Stimmen hatten inzwischen Schreistärke erreicht.
    »Und kommen Sie mir nicht mit Zitaten von Tennyson!« wütete Tossie.
    »Das war nicht Tennyson«, donnerte Baine. »Das war William Shakespeare, der hervorragend zum Zitieren geeignet ist. ›Denkt Ihr, ein kleiner Schall betäubt mein Ohr? Vernahm ich Feuerschlünde nicht im Feld, in Wolken donnernd Jovis’ schwer Geschütz‹?« [74]
    »Das Netz öffnete sich nicht?« fragte Finch.
    »Deshalb habe ich Ihnen ja die Nachricht zukommen lassen. Es öffnete sich weder für Verity noch für mich. Verity versuchte es seit drei Uhr heute nacht.« Mir fiel etwas ein. »Wann sprangen Sie durch?«
    »Um halb drei.«
    »Also bevor Verity es versuchte. Wie groß war der Schlupfverlust?«
    »Es gab keinen.« Finch blickte besorgt. »Oh, Gott, Mr. Lewis sagte, so etwas Ähnliches könnte passieren.«
    »So etwas Ähnliches?«
    »Ein paar seiner Waterloo-Simulationen zeigten Anomalitäten im Netz, aufgrund der Inkonsequenzen.«
    »Was für Anomalitäten?«
    »Daß sich das Netz nicht öffnet. Oder daß mit dem Zielort was nicht klappt.«
    »Was meinen Sie damit – ›daß mit dem Zielort was nicht klappt‹?«
    »In zwei der Simulationen kam der Historiker bei dem Rückkehrsprung irgendwo anders an. Es war nicht bloß eine lokale Verschiebung, sondern ein völlig anderer Zeitraum und Ort. Mexiko 1872 zum Beispiel.«
    »Ich muß sofort zu Mr. Dunworthy«, sagte ich. »Wann kamen Sie zurück?«
    »Um zwanzig nach zehn.« Er eilte mir nach und zog die Taschenuhr heraus. »Vor zwölf Minuten.«
    Gut. Das hieß, es dauerte nur noch fünf Minuten bis zum nächsten Rendezvous. Ich hatte den Pavillon erreicht und ging zu dem Grasfleck, von dem aus Verity gesprungen war.
    »Halten Sie das für eine gute Idee, Sir?« fragte Finch besorgt. »Wenn das Netz nicht richtig funktioniert…«
    »… ist Verity vielleicht in Mexiko oder Gott weiß wo«, sagte ich.
    »Aber sie würde doch sofort zurückspringen, wenn sie merkt, daß sie am falschen Ort ist.«
    »Nicht, wenn sich das Netz nicht öffnet.« Ich versuchte, die Stelle zu finden, an der Verity gestanden hatte.
    »Stimmt, Sir«, sagte Finch. »Kann ich irgend etwas tun?« Er wies auf den Korb. »Man erwartet mich zwar aus Little Rushlade zurück, aber ich könnte…«
    »Am besten, Sie bringen den Chattisbournes die Kohlköpfe und kommen dann wieder hierher zurück, um mich zu treffen. Wenn ich nicht hier bin, springen Sie zu Dunworthy und erzählen ihm, was geschehen ist.«
    »Ja, Sir«, sagte Finch. »Und wenn sich das Netz nicht öffnet, Sir?«
    »Es wird sich öffnen«, entgegnete ich grimmig.
    »Ja, Sir.« Er eilte mit dem Korb davon.
    Ich starrte verbissen ins Gras, wie um den Schimmer herbeizuzwingen. Immer noch hielt ich die Katze im Arm und konnte sie nicht herunterlassen. Sie war imstande, in letzter Minute ins Netz zu stolzieren, und eine weitere Inkonsequenz war das letzte, was wir noch brauchten.
    Mir blieben noch drei Minuten. Ich drückte mich wieder in den Flieder, wo Tossie und Baine standen, mit der Absicht, die Katze dort abzusetzen, damit sie sie sahen.
    Die Dinge standen nicht zum besten. »Wie können Sie es wagen?« rief Tossie.
    »›Nun komm schon, Kate!‹« sagte Baine. »›Schau nicht so sauer drein!‹« [75]
    Ich ging in die Hocke und ließ Prinzessin Arjumand zu Boden gleiten. Sie schlenderte durch die Büsche zu Tossie hin, und ich sprintete zum Absetzort zurück.
    »Ich werde meinem Verlobten sagen, wie impertinent Sie waren«, rief Tossie. Offenbar hatte sie Prinzessin Arjumand noch nicht entdeckt. »Wenn Mr. St. Trewes und ich verheiratet sind, werde ich ihn dazu bringen, sich fürs Parlament aufstellen zu lassen und ein Gesetz einzubringen, das es Dienstboten verbietet, zu lesen und Flausen im Kopf zu haben.«
    Ein schwaches Summen, und die Luft schimmerte leicht.

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