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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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geradewegs auf eine Ente zu, die sich ein schwimmendes Nest aus Reisern und Kastanienbaumblättern gebaut hatte.
    Die Ente quakte und schlug mit den Flügeln.
    »Steuerbord!« rief Terence. »Nach rechts!« Er ruderte wie wild, und wir umschifften die Ente und kehrten in die Flußmitte zurück.
    »Ich habe nie begriffen, wie so ein Fluß eigentlich beschaffen ist«, sagte Terence. »Fällt einem die Pfeife oder der Hut hinein und sei’s auch nur einen Zentimeter vom Ufer entfernt, schießt dieser Gegenstand pfeilschnell in die Mitte des Flusses Richtung Meer und rund um das Kap nach Indien, wie es wahrscheinlich auch der armen Prinzessin Arjumand passiert ist. Aber in einem Boot, wo man mit der Strömung fahren möchte, ist plötzlich alles voller Wirbel und Seitenströmungen, und man kann von Glück sagen, wenn man nicht im Treidelpfad landet. Und selbst wenn das Fräulein von Shalott nicht im Schilf endete, gibt’s da immer noch das Problem mit den Schleusen. Steuerbord, Mann! Steuerbord, nicht die Anlegestelle!« Er ließ die Taschenuhr aufschnappen, schaute darauf und begann dann noch energischer zu rudern, wobei er mir in Abständen zurief, das Boot steuerbords zu halten.
    Aber trotz des unglücklichen Linksdralls des Bootes und der Tatsache, daß ich offenbar bei Kapitän Bligh [31] angeheuert hatte, fühlte ich endlich die ersten Anzeichen, daß ich zur Ruhe kam.
    Ich hatte meinen Kontaktmann getroffen, der offenbar außerordentlich clever war – er spielte die Rolle eines Oxforder Studenten einfach perfekt –, und wir waren auf unserem Weg nach Muchings End. Christ Church Meadow war eine unbebaute Wiese und Lady Schrapnell einhundertsechzig Jahre von mir entfernt.
    Ich konnte mich immer noch nicht recht entsinnen, was ich eigentlich in Muchings End machen sollte, aber Teile meiner Erinnerung kehrten zurück. Ich entsann mich, daß Dunworthy gesagt hatte: »Sobald es zurückgebracht wurde« und zu Finch, daß es sich »um einen kinderleichten Job« handelte und außerdem noch etwas über ein unbedeutendes Objekt. Ich konnte mich auch immer noch nicht erinnern, worum es sich dabei handelte, aber es steckte sicher irgendwo in diesem Berg Gepäckstücke, die im Bug des Bootes lagerten, und wenn alles nichts half, konnte ich immer noch bis Muchings End abwarten. Und vielleicht wußte es Terence. Ich würde ihn fragen, sobald wir uns von Oxford weit genug entfernt hatten. Wir hatten offenbar eine Verabredung in Iffley, und wahrscheinlich fand ich dort auch endlich heraus, was genau eigentlich geplant war.
    In der Zwischenzeit bestand meine Aufgabe darin, mich auszuruhen und mich von den Symptomen der Zeitkrankheit zu kurieren und den Schäden, die Lady Schrapnell und diese ganzen Wohltätigkeitsbasare verursacht hatten, mich zurückzulehnen und dem Rat der Krankenschwester und Cyrils Beispiel zu folgen. Die Bulldogge hatte sich auf die Seite gerollt und schnarchte zufrieden.
    Wenn das victorianische Zeitalter das richtige Krankenhaus war, so war der Fluß der richtige Pfleger. Die heilende Wärme der Sonne auf meinem Nacken, das beruhigende Gleiten der Ruderblätter ins Wasser, die friedliche Szenerie, in der ein Grün auf das andere folgte, das angenehme Summen der Bienen und Cyrils Schnarchen und Terences Stimme…
    »Nimm zum Beispiel Lancelot«, sagte er gerade, offenbar wieder zum Fräulein von Shalott zurückgekehrt. »Da kommt er also in voller Rüstung, mit Helm und allem, reitet mit Schild und Lanze auf dem Pferd, und was singt er? ›Tirra-lirra‹. Tirra-lirra? Paßt denn so ein Lied zu einem Ritter? Tirra-lirra. Trotzdem«, setzte er hinzu und hielt einen Augenblick mit Rudern inne, »die Sache mit der Liebe auf den ersten Blick hat er richtig hingekriegt, obwohl er es ein bißchen zu dramatisch geschildert hat, diese ganze Stelle mit ›ein Riß durchfuhr den Spiegel quer, fort flog das Netz, trieb weit umher‹. Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick, Ned?«
    Das Bild der Naiade, die ihren tropfenden Ärmel auf Dunworthys Teppich auswrang, trat mir unwillkürlich vor Augen, aber ein aus dem Gleichgewicht geratener Hormonhaushalt ist eindeutig ein Nebeneffekt der Zeitkrankheit, und das mochte wohl der Grund sein. »Nein«, sagte ich.
    »Ich bis gestern auch nicht«, erwiderte Terence. »Und auch nicht ans Schicksal. Professor Overforce sagt, daß es so etwas nicht gäbe, alles wäre Zufall, aber wenn dem so ist, warum war sie ausgerechnet gestern genau an jener Stelle am Fluß? Und warum hatten

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