Die Farben der Zeit
zu uns, die wir hier im Irdischen weilen.«
Wir bahnten uns einen Weg durch die Heckeneinfassung zu dem gefliesten Weg, der zur der Verandatür führte.
»Sag uns unser Schicksal«, dröhnte Mrs. Merings Stimme. Prinzessin Arjumand kletterte an mir hoch und grub die Krallen in meine Schulter.
»Tritt ein, o Geist«, intonierte Mrs. Mering, »und bring uns Nachricht von unseren Lieben, die wir vermissen.«
Terence klopfte an die Tür.
Wieder trat Stille ein, dann rief Mrs. Mering mit etwas schwächerer Stimme: »Tritt ein!«
»Warte«, sagte ich, aber Terence hatte die Tür bereits geöffnet. Die Vorhänge bauschten sich ins Zimmer, und wir starrten blinzelnd auf das von Kerzen erleuchtete Bild, das sich uns bot.
Vier Personen saßen um einen schwarzverhangenen Tisch, die Augen geschlossen, und hielten sich die Hände: Verity, weißgekleidet, Tossie in Rüschen, ein bleicher junger Mann mit dem Kragen eines Geistlichen und versunkenem Gesichtsausdruck und Mrs. Mering, die zum Glück Lady Schrapnell äußerlich nicht ähnelte. Sie war viel molliger, mit einem beeindruckenden Busen und einem noch beeindruckenderen Doppelkinn.
»Tritt ein, o Geist von der Anderen Seite«, sagte sie, und Terence schob die Vorhänge beiseite und trat ins Zimmer.
»Ich bitte um Verzeihung«, sagte er. Alle im Zimmer öffneten die Augen und starrten uns an.
Wir mußten ein ziemlich interessantes Bild abgegeben haben, Terence in seiner zusammengewürfelten Kleidung, ich in Socken und wir alle triefend wie Wasserratten, von dem Hund gar nicht zu reden, der immer noch Flußwasser ausspie. Oder der Katze.
»Wir sind gekommen…« setzte Terence an, und Mrs. Mering erhob sich und legte eine Hand auf ihren gewichtigen Busen.
»Sie sind gekommen!« rief sie und fiel in Ohnmacht.
»Mir war, als hört’ ich eine Stimme rufen: ›Schlaft nicht länger!‹«
Macbeth
William Shakespeare
11. Kapitel
Warum die Victorianer so verklemmt wirkten • Unsere süße Miezmiez, endlich wieder bei ihrem Frauchen! • Fisch • Ein Mißverständnis • Wie wichtig Anklopfen ist • Vorstellungen • Irische Namen • Ein erstaunlicher Zufall • Mehr Fisch • Ein zögerlicher Abschied • Noch ein Mißverständnis • Ich gehe zu Bett • Ein Besucher • Eine Krise
Eigentlich handelte es sich mehr um ein Dahinsinken als eine Ohnmacht. Mrs. Mering glitt sanft auf den Teppich, wobei sie sorgsam vermied, an irgendeines der Möbelstücke zu stoßen, kein leichtes Unterfangen, da sich im Zimmer ein großer runder Rosenholztisch befand, auf dem unter einer Glasglocke ein Bukett Wachsblumen stand, außerdem ein Roßhaarsofa, eine Chaiselounge mit Damastbezug, ein Windsorstuhl, ein Morrisstuhl, ein Chesterfieldstuhl, mehrere Ottomanen, ein Sekretär, ein Bücherregal, eine Vitrine mit Nippsachen, eine Etagere, ein Kaminschirm, eine Harfe, eine Aspidistrapflanze und ein Elefantenfuß.
Außerdem glitt sie sehr langsam, und während der Zeit, die sie brauchte, um niederzusinken, fielen mir mehrere Dinge auf:
Erstens, daß Mrs. Mering nicht die einzige war, die aussah, als hätte sie einen Geist gesehen. Der bleiche junge Mann, der ein Kurator sein mußte, war so weiß wie sein geistlicher Kragen, und Baine, der neben der Tür stand, hielt sich haltsuchend am Türknauf fest. Doch sein Gesichtsausdruck war weder schuldbewußt noch entsetzt. Wenn ich es nicht besser gewußt hätte, hätte ich ihn als Erleichterung deuten können. Oder als Freude. Beides war recht seltsam.
Zweitens, daß Veritys Gesichtsausdruck auf jeden Fall Freude zeigte. Mit meinem immer noch von der Zeitkrankheit getrübten Sinn dachte ich einen Augenblick lang tatsächlich, es wäre wegen mir. Dann fiel mir ein, daß sie noch keine Zeit gefunden haben konnte, Dunworthy Bericht zu erstatten. Tossie dürfte vergangene Nacht den ganzen Haushalt auf Trab gehalten haben, um Prinzessin Arjumand zu suchen. Demnach konnte Verity nicht wissen, daß ich die Verantwortung für die Katze übertragen bekommen und den Auftrag verpatzt hatte. Ich würde es ihr also erklären müssen.
Was mir drittens gar nicht paßte, denn sie war, sogar nach einem eher weniger ergiebigen Nachtschlaf und einer Überzahl an Sprüngen immer noch das schönste Geschöpf, das ich je gesehen hatte.
Und viertens, daß der Grund, warum die Menschen des victorianischen Zeitalters so gehemmt und verklemmt gewirkt hatten, darin lag, daß sich niemand hatte bewegen können, ohne etwas
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