Die Farben des Alls
Aussichtsraum setzten sich in Richtung Tür in Bewegung.
»Ich schätze, das ist das Zeichen fürs Abendessen«, sagte die irgendwie vertraut klingende Stimme. »Vermutlich alles synthetisch, aber wir können trotzdem gehen.« Als Bart zur Tür hinüberging, fiel plötzlich volles Licht auf sein Gesicht, und die Stimme rief: »Bart! Das kann doch nicht wahr sein – bist du’s wirklich?«
Mit äußerstem Unbehagen blickte Bart auf in das Gesicht von Tom Kendron.
In der Hast der Gefahr hatte er vollständig vergessen, daß Tom ja mit diesem Schiff reiste, und er selbst sich somit an dem einzigen Ort befand, an dem sein sorgfältiges gehütetes Inkognito nichts wert war! Tom betrachtete ihn mit einer Mischung aus Erstaunen, Freude und Verwunderung.
»Warum hast du mir nichts verraten? Oder habt ihr euch erst im letzten Moment entschlossen – du und dein Vater? War das eigentlich dein Vater, in deiner Begleitung? Hätte ich das bloß vorher gewußt! Mensch, das ist prima, daß wir jetzt ein Stück gemeinsam reisen können, selbst wenn du nur bis Proxima mitfliegst; du mußt doch dort zur Wega umsteigen, oder?«
Bart war sich im klaren, daß er die Sache irgendwie abbiegen mußte, und zwar schnell. Er wußte, daß Tom in dem gedämpften Licht nur sein Gesicht erkennen konnte. Er trat hinaus in den voll erleuchteten Gang, so daß Tommy sein dunkles Haar sehen mußte, und sagte rasch: »Mister, Sie verwechseln mich mit jemandem.«
»Bart, mach keinen Quatsch – « Toms Stimme verlor sich, zweifelnd. Er blickte verständnislos drein und meinte: »Ich – nun ja, vielleicht – Entschuldigung, ich hätte schwören können, daß es sich bei Ihnen um meinen Freund handelt.«
Bart fragte sich unvermittelt, ob er nicht einen Fehler gemacht hatte. Er hatte auf jeden Fall verhindern müssen, daß Tom seinen Namen ein zweites Mal laut aussprach; andererseits war Tom sein Freund, und ein Freund war genau das, was er brauchte. Dringend brauchte.
Nun, jetzt war es zu spät. Er blickte ihm direkt in die Augen und erklärte: »Ich habe Sie nie zuvor in meinem Leben gesehen.«
Tom sah niedergeschmettert aus. »Na ja, es ist eben ein Zufall. Ich habe noch nie eine solche Ähnlichkeit gesehen. Sie sind auch fast genauso gekleidet«, fügte er mit einem Kopfschütteln hinzu. Er trat einen halben Schritt zurück. »Entschuldigen Sie die Frage – sind Sie Weganer? «
Bart wünschte inständig, daß er es überstanden hätte und sich davonmachen könnte, bevor er irgend etwas sagte oder tat, was ihn verraten könnte.
»Vom Aldebaran. Mein Name ist David Briscoe.«
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Dave.« Mit einer Freundlichkeit, die durch nichts kleinzukriegen war, streckte ihm Tom die Hand entgegen. »Sie sehen einem Freund von mir unheimlich ähnlich, es ist kaum zu fassen«, fügte er kopfschüttelnd hinzu. »Wenn Dir Haar nicht so dunkel wäre, könnten Sie sein Zwillingsbruder sein! Ich war der Meinung, ihr Aldebaraner wärt alle klein und dick… ohne euch beleidigen zu wollen.
Was anderes: der Gong bedeutete, Zeit zum Abendessen. Wir könnten doch zusammen essen. Ich kenne keine Menschenseele hier an Bord, und ich finde, es ist ein glücklicher Zufall, daß ich ausgerechnet jemanden treffe, der der Zwillingsbruder meines besten Freundes sein könnte!«
Bart war gerührt und hin- und hergerissen, aber seine Vernunft sagte ihm, daß er dieses Versteckspiel nicht mehr lange durchhalten konnte. Früher oder später würde er sich bestimmt durch irgendwelche Spracheigenheiten verraten oder durch eine kleine Geste, die seinem Freund vertraut war.
Konnte er sich Tom anvertrauen – seine wahre Identität enthüllen und ihn bitten, den Mund zu halten? Nein, das war kein Spiel. Ein Mann war bereits tot. Tom würde ihn niemals absichtlich verraten, doch er könnte sich vielleicht verplappern. Und dann wären sie beide in entsetzlicher Gefahr – auch Tom. Es gab jetzt nur eine einzige Möglichkeit. Es war ihm zuwider, Tom zu kränken, doch wenigstens mußte er es nicht als Bart Steele tun. Tom konnte, ruhig David Briscoe als ungehobeltes Objekt verachten, Bart Steele dagegen als Freund in Erinnerung behalten.
Er sagte kühl: »Nein, danke, aber ich habe nicht die Absicht, in den Speisesaal hinunterzugehen. Ich habe andere Dinge zu erledigen. Vielleicht sehen wir uns später noch.« Und bevor er noch beobachten konnte, wie sich Toms freundlich-aufforderndes Lächeln in einen Ausdruck gekränkter Abwehr verwandelte, machte er
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