Die Farben des Alls
Ansicht gewesen, daß ihr perfekt angemaltes Gesicht außer Verachtung keinen anderen Ausdruck zeigen konnte, aber er hatte sich geirrt. Sie sah zu ihm auf mit unverhüllter Verblüffung und sagte zu dem Bildschirm: »Er nennt sich David Briscoe. Ja, ich weiß. Jawohl, Sir.« Sie hob erneut das Gesicht; es sah wieder beherrscht aus, aber nicht mehr gelangweilt. »Raynor Eins wird Sie empfangen. Gehen Sie durch diese Tür bis zum anderen Ende der Halle.«
Bart schob die Tür auf. Die Lichtintensität war auf Mentorianer zugeschnitten, aber langsam gewöhnte er sich daran. Trotz allem hatte er Kopfschmerzen. Er hatte zu lange Zeit auf der Erde verbracht. Selbst bei der Wega würde er wohl eine Anpassungsphase brauchen.
Am Ende der Eingangshalle befand sich eine weitere Tür. Er betrat eine kleine Kabine, deren Tür rasch hinter ihm zuglitt. Er wirbelte herum, von Panik erfüllt, die in dümmliche Erleichterung umschlug, als die Kabine nach oben schwebte; er befand sich nur in einem automatischen Lift.
Immer höher ging es hinauf, bis der Lift so abrupt hielt, daß Bart flau im Magen wurde; die Tür glitt zurück und gab einen hell erleuchteten Büroraum frei. In diesem Büro saß ein Mann hinter einem Schreibtisch – einem einfachen, normalen Schreibtisch –, der zu Bart hinübersah, als er aus dem Lift stieg.
Der Mann war sehr groß und extrem schlank, und irgendein undefinierbarer Ausdruck in seinen Augen, ebenso wie die überaus grelle Beleuchtung, ließ Bart vermuten, daß es sich um einen Mentorianer handelte. Ein kleines Schild an der Tür besagte: RAYNOR EINS, DIREKTOR. Raynor Eins verfolgte Bart beim Verlassen des Lifts mit ruhigem, grauem und etwas verkniffenem Blick, und Bart fühlte, wie sein Herz unter einer langsam aufsteigenden Panikwelle pochte, die sich seiner bemächtigte. War dieser Mann ein Lhari-Sklave, der ihn verraten würde? Oder – konnte er ihm am Ende vertrauen? Schließlich hatte seine eigene Mutter zur Rasse der Mentorianer gehört.
»Wer sind Sie?« fragte Raynor Eins. Seine Stimme klang streng und – nein, laut war sie nicht, obwohl sie diesen Eindruck erweckte.
»David Briscoe«, antwortete Bart. Es war die falsche Antwort. Die Lippen von Raynor Eins preßten sich zu einem bedrohlichen Strich zusammen.
»Neuer Versuch. Mir ist zufällig bekannt, daß David Briscoe tot ist.«
Bart begann, seine Papiere hervorzuziehen, doch Raynor Eins winkte mit ungeduldiger Geste ab. »Ich glaube gern, daß Sie Papiere vorweisen können, die auf diesen oder irgendeinen anderen Namen lauten«, sagte er. »Was mich interessiert: Wie sind Sie dazu gekommen?«
Bart erklärte zögernd: »Man hat mir die Papiere in Verbindung mit einer Nachricht für Raynor Drei übergeben.«
Raynor Eins starrte ihn weiterhin mit seinen kalten, hellen Augen an. »Das ist ja sehr interessant«, meinte er langsam. »Sie wollen also zu Drei. Was haben Sie mit ihm zu tun?«
Einer plötzlichen Eingebung folgend, sagte Bart: »Das will ich Ihnen gern sagen, wenn Sie mir Ihrerseits erklären, was die Achte Farbe ist.«
Nun war ein Glitzern in Raynors Augen, doch seine gleichmäßige, unnachgiebige Stimme klang nicht weicher als zuvor. »Ich habe das selbst nie erfahren. Ich habe den Firmennamen nicht erfunden. Vielleicht möchten Sie den anderen Inhaber sprechen.«
In jäher Hoffnung fragte er: »Heißt er rein zufällig Rupert Steele?«
Raynor der Erste machte eine verräterische Geste. »Ich kann mir nicht vorstellen, wie Sie zu der Annahme kommen«, erwiderte er vorsichtig, »besonders, nachdem Sie erst von der Erde gekommen sind. Es ist niemals allgemein bekannt gewesen. Er hat die Bezeichnung ›Acht Farben‹ erst vor wenigen Wochen gewählt. Ihr Raumschiff hat während der Delta-Antriebsphase auch keine Nachrichten empfangen können. Sie werfen mit zu vielen Namen um sich, aber ich stelle fest, daß Sie mit weiteren Informationen geizen.«
»Ich suche nach einem gewissen Rupert Steele – «
»Ich war der Meinung, Sie suchten nach Raynor Drei,« sagte Raynor Eins und starrte auf Barts mentorianisches Gewand. »Ich kann mir denken, daß eine ganze Anzahl von Leuten nur zu gern wüßte, wie ich auf gewisse Namen reagiere, um herauszufinden, ob ich die falschen Leute kenne – falls sie für mich die falschen Leute sind. Woraus schließen Sie, daß ich zu derartigen Eingeständnissen bereit wäre?«
Jetzt war es soweit, dachte Bart, jetzt hatten sie den toten Punkt erreicht. Einer mußte den Anfang machen,
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