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Die Farben des Alls

Die Farben des Alls

Titel: Die Farben des Alls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Er war sich da nicht ganz sicher, denn er hatte eine solche Menge von Pillen geschluckt – morgens, mittags und abends –, daß er den Überblick verloren hatte.
    Die gravierendste Veränderung war aufgrund von Injektionen vonstatten gegangen, die seine Hautfarbe veränderten. Er mußte das Mittel weiterhin einnehmen, bis er das Versteckspiel nicht mehr nötig hatte. Ferner waren unbedeutende operative Eingriffe an Gesicht, Händen und Füßen vorgenommen worden.
    »Sehen wir mal, ob Sie aufstehen und herumlaufen können«, meinte Raynor Drei. Bart kam der Aufforderung so tolpatschig nach, daß Raynor die Stirn runzelte. »Tut das weh?«
    »Eigentlich nicht, ich habe nur das Gefühl, als würde ich hinken.«
    »Das ist normal«, erwiderte Raynor. »Ich habe den Winkel der Achillessehne und den Muskel des Fußgewölbes geringfügig verändert. Beim Laufen tritt jetzt eine andere Muskelgruppe in Aktion. Bis diese Muskeln sich straffen, werden Sie ein bißchen Muskelkater haben, aber daran werden Sie sich gewöhnen. Können Sie mich richtig hören?«
    »Das schon, aber ohne diese ganzen Verbände würde ich Sie vermutlich wesentlich besser verstehen«, erklärte Bart mit einer ungeduldigen Bewegung seiner verbundenen Hände in Richtung Kopf.
    »Alles zu seiner Zeit. Haben Sie Probleme mit dem Atmen?«
    »Nein, wieder nur wegen der Verbände.«
    »Gut. Wissen Sie, nachdem ich die Form Ihrer Ohren und Ihrer Nasenlöcher verändert habe, hätte es leicht sein können, daß die Atemwege und das Gehör beeinträchtigt sind; das ist aber anscheinend nicht der Fall. Hören Sie, Bart, ich werde jetzt zunächst die Verbände von Ihren Händen entfernen. Setzen Sie sich hin.«
    Bart setzte sich an die andere Seite des Tisches und streckte folgsam seine Hände aus. Raynor Prei forderte: »Schließen Sie Ihre Augen.«
    »Ich möchte doch sehen – «
    »Tun Sie, was ich Ihnen sage. Schließen Sie die Augen.«
    »Ja, schon gut«, murrte Bart, machte aber die Augen zu und spürte, wie Raynors lange Finger sanft und geschickt an dem Verband nestelten. Er fühlte einen Luftzug auf seinem Handrücken.
    »Bewegen Sie jeden Finger, den ich berühre.«
    Bart spürte eine leichte Berührung auf jedem Finger, zunächst der Reihe nach, dann in unregelmäßiger Reihenfolge. Raynor ließ einen zufriedenen Seufzer hören und sagte: »In Ordnung. Also, nun atmen Sie tief durch – «
    »Was hat das denn damit – «
    »Atmen Sie tief durch«, wiederholte Raynor unbeeindruckt, »und danach öffnen Sie die Augen.«
    Voller Ungedult holte Bart tief Luft, dann öffneten sich seine Lider. Aus seiner Kehle drang ein rauhes, stoßweises Japsen. Obwohl er durch Fotografien und auf andere Weise auf die Veränderungen vorbereitet worden war, brachte ihn der Schock beinahe um seinen Verstand. Vor ihm auf dem Tisch lagen seine Hände – doch es waren nicht seine Hände!
    Die glatten, langen, feingliedrigen Finger waren von perlgrauer Farbe und endeten in weißlich-rosa Klauen, die sich sanft über die Fingerkuppen wölbten. Mit nervös über die Lippen fahrender Zunge bewegte Bart einen seiner Finger, und eine lange Kralle schoß heraus, wie bei einer Katze, und zog sich wieder zurück. Wieder schnappte er nach Luft. Er schluckte.
    »Mein Gott!« Er bemerkte, daß die grauen Klauenhände zitterten. Er spürte eine eigenartige Schwäche.
    »Hervorragende Arbeit, würde ich sagen«, kommentierte Raynor. »Passen Sie auf, daß Sie sich nicht damit kratzen. Trainieren Sie, kleine Gegenstände aufzuheben. Und üben Sie sich in der Lhari-Schrift.«
    Bart machte seine Kehle frei. »Wie haben Sie das mit den Klauen gemacht?«
    »Es war verhältnismäßig einfach.« Raynor strahlte. »Ich habe in die Matrix der Nägel Proteine injiziert, die das Wachstum ungeheuer beschleunigen, und dann, als die Nägel wuchsen, habe ich sie in ihre Form gebracht. Der komplizierte Teil war, sie mit den winzigen Muskeln zu verbinden, die das Einziehen der Krallen bewirken. Zum Glück ähneln sich die Hände der Menschen und der Lhari, sonst – nun, mir wäre es äußerst zuwider gewesen, einen Finger abnehmen oder eine Transplantation versuchen zu müssen.«
    Bart bewegte prüfend seine Hände. Nachdem der Schock überwunden war, hatte er ein ganz normales Gefühl. Die Klauen waren ihm nicht halb soviel im Weg, wie er erwartet hatte, als er einen Stift aufnahm und mit seiner stumpfen Spitze ein paar dieser sonderbaren Punkte und keilförmigen Schriftzeichen machte, aus denen das

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