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Die Farben des Alls

Die Farben des Alls

Titel: Die Farben des Alls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Lhari-Schrift. Er entsann sich, irgendwo gelesen zu haben, daß sich das Alphabet der Lhari aus einer primitiven Schrift entwickelt hatte, bestehend aus kleinen Punkten und Keilschriftzeichen, alten Runen ähnelnd, die sie mit ihren Klauen direkt in Wachs oder Ton eingeritzt hatten.
    In der Abenddämmerung schlüpfte ein junger Lhari unbeobachtet aus Raynors Landhaus. Ohne Aufsehen zu erregen, marschierte er bis zum Rand einer nahen Kleinstadt, wo er sich unters Volk mischte und ein Lufttaxi mit einem gleichgültigen menschlichen Fahrer anheuerte, um sich zum Raumflughafen fliegen zu lassen. Der Fahrer war ein wenig überrascht, einen Lhari als Passagier zu haben, was aber nach Barts Dafürhalten nicht verwunderlich war.
    »Sie haben sich wohl ein bißchen auf unserem Planeten umgesehen, was?«
    »Stimmt«, erwiderte Bart in der Raumsprache, wobei er sich nicht bemühte, den Lhari-Akzent zu imitieren. Von Raynor wußte er, daß nur wenige von ihnen das charakteristische schnarrende »r« und das zischende »s« sprachen; er hatte ihm von dem Versuch abgeraten, diese Laute nachzuahmen. Sprechen Sie einfach ganz natürlich. Es gibt Utari-Dialekte, genauso wie es Dialektformen der verschiedenen menschlichen Sprachen gibt. Und in der Raumsprache klingt sowieso alles ganz anders. »Ich war ein bißchen unterwegs.«
    Der Fahrer des Lufttaxis blickte stirnrunzelnd hinunter auf seine Armaturen. Bart hatte das sonderbare Gefühl, als sei er kurz abgefertigt worden. Dann kam ihm jedoch zu Bewußtsein, daß er selbst den Lhari auch immer sehr wenig zu sagen hatte, wenn sie ihn ansprachen.
    Er war ein Fremdling, ein Monster, und konnte nicht erwarten, weiterhin wie ein menschliches Wesen behandelt zu werden.
    Als er dem Lufttaxi vor dem Raumhafen entstieg, mutete es ihn seltsam an, daß sich die Menge auf seinem Weg vor ihm zurückzog. Er erhaschte sein Spiegelbild an einer der Rampen – eine hochgewachsene schlanke Gestalt in metallischer Kleidung, auf dem Kopf eine fedrige weiße Krone – und verspürte unbeschreibliches Heimweh nach seinem eigenen wohlbekannten Gesicht.
    Langsam bekam er Hunger, und es wurde ihm klar, daß er nicht in ein gewöhnliches Restaurant gehen konnte, ohne Aufsehen zu erregen, denn das war etwas, was die Lhari äußerst selten taten – vermutlich bedeutete es für sie, in die Gosse hinabzusteigen oder so etwas, überlegte Bart unwillig. Er erwog kurz, einen Imbiß an einem der Kiosks einzunehmen, die über den ganzen Raumhafen verteilt standen.
    Er entschied sich dagegen, weil er damit die Sache nur aufschob. Die Zeit war reif für einen Test seiner Maskierung unter den Lhari; er mußte seine Furcht überwinden. Je früher, desto besser. Er rief sich kurz ins Gedächtnis, nach welchem Schema die Raumhäfen generell angelegt waren: auf der einen Seite befand sich der Gebäudekomplex, der den Menschen,
    Besuchern und Passagieren frei zugänglich war; der andere Teil, den Lhari und ihren mentorianischen Angestellten vorbehalten, bestand – neben den verschiedenartigsten Büroräumen – aus einer Art Passage mit Vergnügungszentren, Geschäften und Restaurants für das Personal der Lhari-Schiffe. Nachdem täglich neun bis zehn Raumschiffe einliefen, hatte ihm Raynor versichert, daß ein fremdes Gesicht sich leicht in der Menge verlieren würde.
    Er ging auf eine Tür mit der Aufschrift Gefahr! Lhari-Beleuchtung! zu, schritt durch einen gleißend hellen Gang, der zu Büros und Lagerhäusern führte, und trat schließlich hinaus auf einen breiten Promenaden weg. Das Licht war mörderisch, doch er konnte es inzwischen problemlos ertragen – obwohl er im Augenblick leichte Kopfschmerzen hatte. Bei einem Test seiner Lichttoleranz hatte Raynor beteuert, daß er die gleiche Lichtintensität vertrug wie die Lhari, ohne seine Sehnerven zu schädigen, daß er aber in der Gewöhnungsphase mit Kopfschmerzen würde rechnen müssen.
    Es gab kleine Läden und bar-ähnliche Etablissements sowie ein Lokal mit gläserner Front und einer Aufschrift in riesigen schwarzen Lettern, die in Lhari ungefähr bedeutete:
     
    HEIMAT FERN DER HEIMAT – SPEISERESTAURANT,
    RAUMFAHRTPERSONAL WILLKOMMEN, VERNÜNFTIGE PREISE.
     
    Zögernd stand er vor dem Eingang, in letzter Minute von Panik ergriffen.
    Hinter ihm hörte er eine Stimme in Lhari-Sprache: »Sag mal, stimmt das wirklich, was da steht? Oder ist das wieder so eine Falle, in der unbedarften Raumfahrern ihre sauer verdienten Scheine aus der Tasche gezogen werden? Wie

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