Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Farben des Alls

Die Farben des Alls

Titel: Die Farben des Alls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
glaube, wir brauchen diesmal nicht den Arzt zu rufen. Meinst du, du schaffst es, ihn mit mir zusammen aufs Mannschaftsdeck hinunterzutragen?«
    »Klar«, versicherte Bart, der seine Standfestigkeit und seine Stimme wiedergefunden hatte. Er fühlte sich besser, als sie sich den Gang entlangbewegten, die schlaffe, brabbelnde Gestalt des alten Lhari quasi bewußtlos in ihren Armen. Sie gelangten zum Offiziersdeck, bugsierten Rugel in seine Kabine und in seine Koje, befreiten ihn von Cape und Stiefeln und zogen eine Decke über ihn; als sie das Licht gelöscht hatten, schüttelte Ringg den Kopf.
    »Und Captain Vorongil sagt man nach, daß er ein Rauhbein sei!«
    Bart brummte verständnislos.
    »Also, sieh mal«, meinte Ringg. »Er weiß, daß sich der alte Rugel elend und überflüssig vorkäme, wenn er ihn für jede Delta-Phase in seine Koje beordern und narkotisieren lassen würde wie die Mentorianer. Deshalb machen wir bei jedem Delta-Sprung das gleiche mit!« Er klang verärgert und entrüstet, aber in seinen Bewegungen war eine widerborstige, jungenhafte Sanftheit, als er den kahlköpfigen alten Lhari zudeckte. Beinahe schüchtern sah er auf.
    »Fühlst du dich besser, Bartol? Brauchst du einen Arzt?«
    »Mir geht’s prima«, erwiderte Bart, und diesmal meinte er es auch so. Durch die Erkenntnis, daß auch die Lhari gelegentlich unter Unwohlsein und schmerzhaften Reaktionen während der Delta-Phase litten, schienen die Übelkeit und das Kribbeln bei ihm selbst nicht mehr so gravierend zu sein.
    »Vielen Dank für deine Hilfe mit dem alten Glatzkopf. Im allgemeinen versuchen wir, ihn wegzuschaffen, bevor Vorongil offiziell davon Notiz nimmt. Natürlich tut er so, als würde er nichts bemerken«, verriet ihm Ringg, und beide lachten auf dem Rückweg zum Kommandoraum. Bart ertappte sich bei dem Gedanken, daß Ringg ein guter Kumpel sei. Entsetzt verdrängte er diese absurde Idee.
    Er hatte die Delta-Phase überlebt! Dann hatten also die Lhari tatsächlich die ganze Zeit gelogen; mit Hilfe einer böswilligen Lüge war es ihnen gelungen, ihr Würgegriff-Monopol im Bereich der interstellaren Raumfahrt aufrechtzuerhalten! Sein kurzes Gefühl des Einklangs mit ihnen verschwand. Jetzt war er wieder ihr Feind, der Spion in ihren eigenen Mauern, derjenige, der überleben und davon Kunde geben mußte – der sich nicht wie Briscoe einfangen und umbringen lassen, sondern allen die Botschaft verkünden würde, laut und vernehmlich: Die Lhari haben gelogen! Die Sternenwelten gehören uns allen!
    Als er den Kommandoraum betrat, sah er, daß der Nebel hinter der Sichtluke verschwunden war; die Spuren der Gestirne glichen wieder klar gezeichneten Kometen, deren Schweife sich stetig verkürzten, deren Farben immer deutlicher in Erscheinung traten. Die Diensthabenden im Kommandoraum warteten offensichtlich jeden Moment auf das Ende dieses Verwandlungsprozesses. Einige beugten sich über ihre Instrumente, andere standen vor dem Quarzitfenster und betrachteten das eigentümliche Panorama der Lichtspuren, und vier oder fünf von ihnen schüttelten und kratzten sich und jammerten über die »Raumflöhe«, wie sie das charakteristische Jucken bezeichneten, das sich in ihren Knochen als keinesfalls außergewöhnliche Reaktion auf die Überschreitung der Lichtgeschwindigkeit bemerkbar gemacht hatte.
    Bart kontrollierte seine eigenen Computerdaten, stellte Zeitpunkt und Position des Wiedereintritts in die normale Beschleunigungsstufe fest und trat neben die Sichtluke. Die Gestirne zeigten sich wieder, sie schienen sich zu stabilisieren und aufzulodern in verhüllter Pracht, umgeben von leuchtenden Staubschleiern. Sie züngelten nach ihm mit riesigen Flammenzungen, und einen Augenblick lang vergaß er wieder seine Mission, verlor sich im Reichtum des feurigen Lichts. Tief beeindruckt holte er Atem. Es lohnte sich allein schon, um das alles hier zu sehen! Als er sich umdrehte, stand Ringg schweigend an seiner Schulter.
    »Mir geht’s genauso«, bekannte Ringg, beinahe im Flüsterton. »Aber erzähl’s nicht weiter, daß ich so ein flaumschopfiges Küken bin. Unter uns gesagt: Ich glaube, daß jeder einzelne auf dem Schiff ähnlich empfindet. Nur gibt es keiner zu. Vermutlich haben sie Angst, ausgelacht zu werden.« Seine Schlitzaugen erhaschten kurz Barts Blick und sahen wieder weg. »Aber – es ist einfach wunderbar. Mir ist gleich, was du darüber denkst; ich finde es wunderbar!«
    Zwei Stunden später überprüfte Bart sein

Weitere Kostenlose Bücher