Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Farben des Alls

Die Farben des Alls

Titel: Die Farben des Alls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
knufften sich spielerisch, wie zwei Kätzchen mit eingezogenen Krallen, die sich zum Spaß balgten; sie stritten sich um den Hebel und gaben vor, darum zu kämpfen. Bart nahm sie kaum wahr. Die umgürteten Planeten des Prokyon – Alpha, Beta und Gamma – hingen gut sichtbar im All; ihre sanft geneigten Ringe vergingen grün, blau und golden in der Ferne. Dahinter erstrahlten die Sterne, erglühten durch den schimmernden Staubvorhang des Kosmos. Diese Farben, die ewigen Farben des Alls! Sich an die Wirklichkeit klammernd, versuchte er, die dunkel brennende Flamme des Antares, ihres Ziels, ausfindig zu machen.
    Er sah aus wie ein rotes Auge…
    Schockiert stellte er fest, daß er zur Bezeichnung der Farbe auf die Raumsprache zurückgreifen mußte, obwohl er in der Lhari-Sprache dachte. Er stand in einem Raum voller seltsamer Wesen, voller Monster, und eines davon war er selbst. Er betrachtete eine Szenerie, die sich nur ihm allein auf diese Weise präsentierte!
    »Von welchem der Planeten sind wir gestartet?« wollte Karol wissen. »Ich kann sie auf die Entfernung nicht auseinanderhalten. Kannst du das, Bartol?«
    Von dem blauen, dachte er; Beta war golden, und Gamma grün. Er unterdrückte jedoch diese Worte und deutete auf einen: »Der große dort, bei dem die Ringe fast zusammentreffen. Ich glaube, sie nennen ihn Alpha.«
    »Sie können ihn nennen, wie sie wollen«, meinte Karol, »er gehört ihnen ja. Wie wär’s mit einem neuen Spiel, Bartol?«
    Entschlossen wandte Bart den magischen Farben den Rücken zu und beugte sich über den Flipper.
    Die ersten Wochen im All waren für ihn ein wahrer Alptraum. Er sehnte die Dienststunden im Kommandoraum förmlich herbei, weil er sich nur dort sicher fühlte. Vor dem riesenhaften Computer konnte er keine Fehler begehen. In allen übrigen Bereichen des Raumschiffs lebte er in beständiger Furcht, war stets auf dem Sprung und fortwährend in Sorge, daß er einen blödsinnigen kleinen Fehler machen könnte. Bei einer Gelegenheit bezeichnete er tatsächlich den Aldebaran als roten Stern, aber entweder hatte Rugel den Ausrutscher überhört, oder er war in dem Glauben, Bart wiederhole lediglich, was einer der beiden im Kommandoraum beschäftigten Mentorianer – ein stiller älterer Mann und eine Frau mittleren Alters – von sich gegeben hatten.
    Das völlige Fehlen von Farbbezeichnungen in der Sprache war am schwersten zu verkraften. Jeder im Computer-Handbuch aufgeführte Stern wurde durch Radiowellen definiert und konnte mit Hilfe eines besonderen Lichtmessers mit Wellenlängen-Skala bestimmt werden, und es ging Bart ungeheuer auf die Nerven, sorgsam das gesamte Zeremoniell ablaufen zu lassen, wenn die Mentorianer dienstfrei hatten und man nicht aufgrund der Farbangabe gleichzeitig die entsprechende Frequenz erfuhr. Er wagte jedoch nicht, auch nur einen einzigen Schritt auszulassen, damit keiner auf die Idee kam, daß er die Farben tatsächlich sehen und einen gelben von einem grünen Stern unterscheiden konnte, bevor er ihre verschiedenen Wellenlängen auf der Skala des Lichtmessers abgelesen hatte.
    Die Raumschiffe der Akademie waren außerdem noch mit den herkömmlichen Gefahrensignalen – aufleuchtenden roten Warnlichtern – ausgestattet gewesen. Die ungewohnte farblose Tastatur des Computers ließ Bart in ununterbrochener Anspannung auf leises Ticken oder leise Summtöne lauschen, die anzeigten, daß die eine oder andere Skalenanzeige zu weit nach rechts oder links gerutscht war, daß irgendwo im System ein Fehler aufgetreten war oder daß die Leitungen überprüft werden mußten. Einmal, während er dienstfrei hatte, beobachtete er, wie Ringg mit seiner Ausrüstung zur Überprüfung der Materialmüdigkeit auf dem Schiff im Einsatz war – einer wundersamen kleinen Ansammlung von Kästchen, Prüf- und Meßgeräten, Antennen und Kopfhörern –, und ihm wurde schwindlig von den unbegreiflichen Lauten.
    Zunächst kam er sich vor wie im Tollhaus; er fühlte sich jede Sekunde seines Daseins nervlich bis zum äußersten angespannt, witterte immer und überall Gefahr, sich zu verraten, hütete Zunge, Hände und Ohren mit fanatischer Sorgsamkeit. Er stopfte sein rebellierendes Gehirn mit Millionen Einzelheiten voll, er lag nachts wach und beschäftigte sich im Geiste mit den diversen Kombinationen kleiner Signale, die das eine oder andere zu bedeuten hatten. Es kam ihm so vor, als würde sein Geist diesem Druck nicht standhalten. Alpha verblaßte zu einem milden blauen

Weitere Kostenlose Bücher