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Die Farben des Alls

Die Farben des Alls

Titel: Die Farben des Alls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Waisenknabe, für den wir dich gehalten haben, Bartol! Hier ist endlich mal ein Brief für dich!«
    Bart nahm ihn in Empfang, mit plötzlichem Herzklopfen, und ging davon durch die Gruppen von Offizieren und Mannschaftsangehörigen, die eifrig Pläne für ihren Landurlaub schmiedeten. Er schloß sich in seiner Kabine ein, um den Brief zu lesen. Ringg hatte glücklicherweise Dienst. Schon jetzt wußte er, worum es ging.
    Er trug Lhari-Schriftzeichen und war einfach adressiert an Bartol, Swiftwing, war aber mit dem Briefkopf der Acht-Farben-Gesellschaft versehen. Der Inhalt beschränkte sich auf eine Adresse und eine Zeitangabe… und der angegebene Zeitpunkt fiel in seine Dienststunden an Bord!
    Einen Augenblick fühlte er sich völlig frustriert, gleichzeitig aber auch erleichtert. Es war nicht seine Schuld, wenn er die Verabredung nicht einhalten konnte. Doch bald kam ihm sein gesunder Menschenverstand zur Hilfe. Er mußte einfach pünktlich an der angegebenen Adresse erscheinen; falls er nicht dienstfrei bekam, müßte er eben trotzdem gehen. Andererseits war er noch nicht gewillt, bereits jetzt soviel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
    Er hatte Ringg noch niemals um einen Gefallen gebeten. Nun kämmte er den Dienstplan durch und fand heraus, daß Ringg während seiner Dienstzeit für Landurlaub eingeteilt war; und er bat den jungen Lhari, mit ihm zu tauschen. Nachdem in den Raumhäfen nur Wachdienst geleistet und die Ladearbeiten beaufsichtigt werden mußten, war Ringg sofort und mit Vergnügen einverstanden. »Ist doch selbstverständlich. Freut mich, wenn ich dir helfen kann. Hast wohl ein Mädchen hier, was?«
    Bart gelang ein dämliches Grinsen, obwohl allein der Gedanke ihn bereits zu hysterischem Gelächter reizte. Er konnte nicht mal ein Lhari-Mädchen von einem Jungen unterscheiden, genausowenig, wie Ringg erkannt hatte, daß Meta ein Mensch weiblichen Geschlechts war! »Nein, nur ein – ein alter Freund meines Vaters.«
    »Na, egal. Geh du nur. Ich kläre das schon mit Rugel. Mach dir darüber keine Gedanken«, beruhigte ihn Ringg.
    Barts nächster Schritt führte ihn heimlich zu den Unterkünften der Mentorianer, wo er sich von Meta ein Cape borgte. Sie fragte ihn nicht, wozu er es benötigte, sondern sah ihn nur ziemlich hilflos an, als er es ihr erklären wollte.
    »Erzählen Sie mir nichts«, sagte sie flüsternd, »ich habe Angst, zuviel zu erfahren.« Ihre Augen sahen groß und angstvoll aus, und Bart verspürte den Wunsch, sie zu trösten, wußte aber, daß sie vor seiner Berührung zurückschrecken würde, weil sie seine Lhari-Haut, sein Haar und seine Klauen abstießen und mit Grauen erfüllten. Er schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter und versuchte, mit seiner Einsamkeit fertig zu werden. Er sagte nichts weiter als »Vielen Dank, Meta. Ich sorge schon dafür, daß Sie keine Schwierigkeiten bekommen, was auch geschehen sollte.«
    »Das ist nicht so wichtig«, sagte sie plötzlich zu seinem Erstaunen. Sie faßte nach seiner Hand, die sie fest mit ihren zarten Fingern umschloß. »Bartol – passen Sie gut auf sich auf«, wisperte sie, und unterbrach sich dann: »Bartol – das ist ein Lhari-Name. Wie heißen Sie wirklich?«
    »Bart. Bart Steele.«
    »Viel Glück – Bart«, flüsterte sie, mit Tränen in den Augen. »Passen Sie auf sich auf!«
    Als das blaue Cape sein Gesicht umrahmte und seine Lhari-Züge halbwegs verbarg und seine Hände in den Seitenschlitzen verschwunden waren, fühlte sich Bart zum ersten Mal seit vielen Monaten wieder wohl in seiner Haut. Im eigentümlichen roten Dämmerlicht, das sich über die Straßen ergoß, die erfüllt waren von seltsam würzigen Gerüchen und einer angenehm leichten Brise, bereitete ihm sein Verschwörerdasein, sein Hasardspiel im Intrigennetz zwischen den Sternen, beinahe Vergnügen. Er ließ sich auf ein Abenteuer ein, das neu und ungewöhnlich war, und er hatte die feste Absicht, es voll zu genießen.
    In seiner Phantasie malte er sich bereits die bewundernden Bemerkungen der unbekannten Verschwörer aus, wenn sie erfuhren, daß er, als junger Bursche, etwas getan hatte, was bisher noch keinem Menschen gelungen war: er hatte die Delta-Antriebsphase auf einem Lhari-Raumschiff bei vollem Bewußtsein miterlebt. Allein diese Information, so sagte er sich, war schon viel wert. Doch bei nüchterner Überlegung kam er um die Tatsache nicht herum, daß ja sein Vater bei diesem Unternehmen umgekommen war – und daß er die Nachricht von seinem Tod

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