Die Farben des Chaos
bis er endlich den Fußweg vor Leyladins Tür erreichte.
Sie öffnete, kaum dass er den Klopfer fallen gelassen hatte.
»Ich habe es gefühlt! Was ist passiert?« Sie untersuchte ihn mit Augen und Sinnen. »Bei der Dunkelheit! Nimm meinen Arm.«
Sie half ihm durch den Flur und den vorderen Raum, eine Spur von nassem Straßendreck und Blut hinterlassend. Auf einem Sofa im vorderen Raum, links neben dem Flur, hieß sie ihn sich niederlegen. Es war der mit hellblauer Seide ausgehängte Raum, den er noch nie betreten hatte.
»Mein Blut beschmutzt doch …«
»Still.« Sie konzentrierte sich und er konnte spüren, wie ihre Ordnungs-Kräfte und ihre Wärme in Oberarm und Schulter eindrangen, während sie vorsichtig den weißen Stoff abschnitt, um die Wunde freizulegen. »Es ist nicht so schlimm, wie es hätte sein können.«
»Ich habe den Schuss zum Teil abgeblockt, aber ich war nicht schnell genug.«
»Ich muss die Wunde säubern und verbinden. Der Muskel ist angerissen, aber nicht so tief, wie ich befürchtet hatte. Du musst dich auf irgendeine Weise geschützt haben.«
»Ich … habe doch gesagt …«
»Still …« Sie presste ein Stück Tuch auf die Wunde. »Halte das fest, ich bin gleich wieder da.«
Cerryl hielt das Tuch und hörte, wie Leyladin in die Küche hinübereilte und mit der Köchin sprach.
»… eine Flasche Branntwein, Meridis. Es ist mir egal, was Vater sagt … es hilft.«
Noch bevor die Worte ganz verklungen waren, kam die Heilerin mit einem kleinen Kästchen, einer Flasche und einem sauberen weißen Tuch zurück. »Zuerst müssen wir das Blut abwischen und die Wunde säubern.«
Sie zog den Korken aus der Flasche, und als sie ihm die Flüssigkeit über die Wunde kippte, hätte Cerryl fast geschrien.
»Tut mir Leid … mein Liebster … aber es hilft. Niemand weiß genau, warum das so ist, aber mit Branntwein und Ordnung heilen die meisten Wunden sauber ab.«
Cerryl gefiel es nicht, dass dies nur für »die meisten« Wunden gelten sollte.
»Wehre dich nicht. In der Wunde ist noch Tuch, das ich herausholen muss … da ist Chaos drin … nicht viel, aber es wird schlimmer, wenn ich nicht …«
Cerryl presste die Kiefer zusammen und hoffte, er würde sich nicht die Zunge abbeißen. Schweißperlen sammelten sich auf seiner Stirn und die salzige Flüssigkeit lief ihm in die Augenwinkel.
»So … jetzt hast du das Schlimmste überstanden. Noch etwas Branntwein und Ordnung …«
Cerryl zuckte wieder zusammen, weil er wusste, was kommen würde. »Das hat schlimmer wehgetan als der Pfeil.«
»Du wirst dich schon erholen.« Leyladin lachte etwas gezwungen. »So … und jetzt ruh dich ein Weilchen aus. Wir brauchen jetzt beide Ruhe.« Sie setzte sich neben dem Sofa auf den Boden. »Soll ich einen Boten zu Isork schicken?«
»Noch nicht …« Cerryl wusste nicht, wann ein guter Augenblick wäre und ob ein solcher überhaupt kommen würde. »Zu Kinowin … aber erst später.«
»Herrin Leyladin, Ihr seid so bleich.« Meridis kam mit einem Tablett mit Brot und Käse, einer Flasche Wein und zwei Gläsern ins Zimmer geeilt. »Ser Cerryl … Ihr seht aus, als könnte Euch ein Happen nicht schaden.«
Das Tablett wurde neben Leyladin auf den Boden gestellt. Sie nahm sich ein kleines Messer und schnitt Keile vom weißen Käse ab.
Cerryl lächelte, als Leyladin ihm den Käse reichte. Er kaute langsam, und erst jetzt wurde ihm bewusst, wie müde und hungrig er wirklich war. Er sah die Heilerin an. Ja, sie war wirklich sehr bleich.
»Das Heilen ist harte Arbeit, wie ich sehe«, meinte er.
»Schwerer, als den meisten klar ist«, sagte sie, nachdem sie den Käse heruntergeschluckt hatte. »Viel schwerer.« Sie reichte ihm ein Stück Brot.
»Danke«, erwiderte er leise. »Ich hatte Glück, dass du hier warst.«
»Dein Glück war, dass du dich mit mir verabredet hattest, denn aus dem Grund war ich ja da.« Dann reichte sie ihm ein Glas Wein und nahm es wieder, als er ein paar Schlucke getrunken hatte. »Weißt du, wer es war?«, fragte sie schließlich.
»Ich war so wütend, dass ich beinahe blind zurückgeschlagen habe. Ein blau gekleideter Bogenschütze, würde ich sagen. Aber er ist zu Asche verbrannt. Er war gerade dabei, den nächsten Pfeil einzulegen. Ich wollte nicht warten, wie gut er damit schießt.«
»Blau … ungefähr zehn Häuser haben die Farbe Blau für sich gewählt.«
»Es war nicht das Blau, das Meridis oder Soaris tragen. Es war strahlender und zugleich etwas
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