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Die Farben des Chaos

Titel: Die Farben des Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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seinen Aufgaben gehören … wie war das noch bei der Stadtwache, Cerryl?«
    Cerryl zuckte angesichts des versteckten Vorwurfs innerlich zusammen. »Ser, ich habe nichts unternommen und ich werde auch nichts unternehmen. Ich weiß, dass es irgendwo ein Problem gibt, wenn mich eine Sache wie diese beunruhigt. Ich kann nichts dagegen tun. Aber ich dachte, Ihr solltet es erfahren, falls Ihr es nicht schon wisst. Ich kann nichts weiter tun, als Euch darauf aufmerksam zu machen.«
    Kinowin lachte leise. »Dann wollt Ihr das Problem also an mich weiterreichen?«
    Durch den offenen, humorvollen Ton des Obermagiers ermuntert, lächelte auch Cerryl. »Ja, Ser. Ich weiß nicht, an wen ich mich sonst wenden könnte, und Ihr seid in solchen Dingen viel erfahrener als ich.«
    »Cerryl, Ihr redet schon wie Anya. Warum sagt Ihr nicht, was Ihr denkt?«
    Cerryl schluckte. »Es beunruhigt mich. Ich glaube, es könnte der Gilde schaden. Ich weiß nicht, warum, aber mein Gefühl ist klar und eindeutig. Mit wem sonst könnte ich darüber sprechen?«
    »Das ist schon viel aufrichtiger … und viel beunruhigender.« Kinowin schritt zur anderen Seite des Raumes, blieb stehen und strich über einen grün-silbernen Wandbehang, auf dem einander überlagernde Dreiecke abgebildet waren. »Ich kann nur sagen, dass ich auf meine eigene Weise nachforschen werde.« Er drehte sich wieder zu Cerryl herum. »Reicht Euch das?«
    Cerryl stand auf. »Ja, Ser. Mehr kann ich nicht verlangen.«
    »Es ist sogar mehr, als Ihr verlangen könnt, Cerryl, aber ich vertraue Euren Gefühlen, was die Gilde angeht. Und jetzt … lasst einem armen Obermagier ein paar Augenblicke Zeit, ein Buch zu lesen.«
    Cerryl lächelte unsicher, verneigte sich und kehrte in sein Zimmer zurück, zu einem Spähglas, das immer mehr zeigte und immer weniger offenbarte.

 
LXXII
     
    C erryl betrachtete das wirbelnde Chaos im Spähglas und brach die Suche nach Leyladin ab. Vielleicht brauchte er etwas Ruhe. Er stand auf und schritt unruhig im Zimmer auf und ab, dann trank er einen Schluck Wasser aus dem Becher auf dem Tisch.
    Schließlich setzte er sich wieder vors Glas, aber er konnte lediglich einige starke Chaos-Strukturen spüren, die viel näher als Lydiar oder Certis waren. In Fairhaven stimmte etwas nicht, vielleicht lag der Ursprung der Ausstrahlung sogar in den Hallen selbst … da war eindeutig etwas nicht in Ordnung. Aber was? Willst du es wirklich herausfinden?
    Er betrachtete den silbrig glänzenden Spiegel auf dem Tisch und hoffte, den Ausgangspunkt der Störung im Glas zu entdecken. Die Nebel teilten sich, und Cerryl riss den Mund auf, als er das Bild im Glas sah.
    Mit einem lauten Knall traf die Peitsche des Weißen Wächters die Gestalt, die auf dem langen Tisch festgeschnallt war; auf den Beinen erschien ein roter Striemen.
    Ein weißhaariger Magier bewegte die Hände, als wolle er etwas abwehren. Die Stirn des Magiers glänzte vor Schweiß, während er in einen kleinen Spiegel auf einem Tisch starrte, der in seine Richtung geneigt war.
    Cerryl runzelte die Stirn, aber er konnte das Abbild im Spiegel nicht erkennen. Er konnte nur sehen, dass der Weiße Magier Jeslek war und dass Anya neben ihm stand. Die Peitsche traf die nackten Schultern der Gestalt auf dem Tisch und die Gefangene schauderte.
    Der Magier sah Anya stirnrunzelnd an.
    Sie schüttelte den Kopf und sagte ein paar Worte.
    Statt zu antworten, trank Jeslek einen Schluck aus einem Becher. Er kniff die Augen zusammen und konzentrierte sich, dann gab er dem Wächter mit einem Nicken einen Befehl. Die Peitsche traf den nackten Rücken der Frau.
    Jeslek wischte sich die Stirn ab und nickte noch einmal in Richtung des Wächters.
    Wieder traf ein Peitschenschlag den Rücken der Frau.
    Anyas Lächeln drehte Cerryl den Magen um. Er schluckte schwer. Als er wieder hinschaute, hatte der Wächter schon die bewusstlose Frau losgebunden und wie einen Sack über seine Schulter geworfen.
    Cerryl ließ das Bild in sich zusammenfallen und hoffte, dass Jeslek und Anya zu beschäftigt gewesen waren, um zu bemerken, dass und von wem sie beobachtet worden waren. Obwohl es in seinem Zimmer kalt war, standen Schweißtropfen auf seiner Stirn und sein Magen wollte und wollte sich nicht beruhigen.
    Was kannst du schon tun? Du hast es Kinowin gesagt, und wenn Jeslek merkt, dass du ihm nachspionierst …
    Eine Weile saß Cerryl reglos vor dem leeren Spähglas. Dann stand er auf, ließ die Schultern kreisen und ging zum Fenster.

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