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Die Farben des Chaos

Titel: Die Farben des Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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Draußen vor der Scheibe trieben fette Schneeflocken vorbei.
    Schließlich drehte er sich wieder um, wischte sich die Stirn ab und verließ sein Zimmer, um zum Brunnen zu gehen. Er blieb eine Weile am Bogengang stehen, denn er wusste, dass früher oder später Anya vorbeikommen würde.
    Nicht lange, und er spürte die Woge von Chaos, die von Anya ausstrahlte, als sie durch die vordere Halle der Magier ging und sich ebenfalls dem Springbrunnen näherte.
    Mit kummervoll verzogenem Gesicht, als sei er tief in Gedanken versunken, stürmte er schräg über den Hof, den Schnee ignorierend, der um ihn herum niederfiel.
    »Cerryl! Nun passt doch auf! Ihr hättet mich beinahe umgerannt.« Anya sah ihn neugierig an. »Ihr wolltet meine Aufmerksamkeit erregen.«
    »Natürlich«, gab Cerryl grinsend zu. »Das konnte ich Euch wohl nicht verheimlichen.« Der Duft von Sandelholz und Trilia war beinahe überwältigend, aber er durfte sich nicht ablenken lassen.
    »Aber warum?« Jetzt schien Anya wirklich sehr interessiert.
    »Habt Ihr einen Augenblick Zeit?« Er deutete zur Bank hinter dem Springbrunnen, doch dann, viel zu spät, fiel ihm ein, dass sie nass war. Er blieb abrupt stehen.
    »Ihr macht mich wirklich neugierig, Cerryl. Also gut, einen Augenblick habe ich Zeit.« Sie folgte ihm zur Bank und blieb neben ihm stehen.
    Der Magier blickte sie aus seinen grauen Augen offen an. »Für Krieg und Kampf braucht man Macht. Wenn Ihr die Händlerin tötet, werdet Ihr den Schwarzen Schmied, wie auch immer sein Name war, dazu zwingen …«
    »Dorrin«, erwiderte Anya belustigt. »Dorrin ist sein Name.«
    »Dann werdet Ihr ihn noch dazu bringen, Fairhaven anzugreifen. Könnt Ihr eigentlich spüren, wie viel Ordnung er in sich birgt? Er hat so viel Ordnung in sich, wie Jeslek an Chaos in sich hat.«
    »Cerryl … Ihr könnt vieles sehen, aber es gibt auch Dinge, die Ihr nicht erkennt.« Anya setzte ihr strahlendes, falsches Lächeln auf. »Natürlich hat der Schmied viel Ordnung in sich. Aber Ihr habt schon immer eine Schwäche für Opfer gehabt. Das hat Euch auch bei der Stadtwache in Schwierigkeiten gebracht. Ich kann Euch jedoch versichern, dass die Händlerin zu ihrem Schmied zurückkehren wird. Sie wird überleben.«
    »Aber warum lässt Jeslek sie dann foltern?«
    »Cerryl … wisst Ihr, was Jeslek tun würde, wenn ich ihm diese Bemerkung von Euch zutragen würde?«
    Der junge Magier zwang sich zu einem Lächeln und verbarg seine wahren Gefühle vor ihr. Er hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass ebendies oft notwendig war, wenn man überleben wollte. »Anya … ich würde ihm sagen, dass Ihr es mir verraten habt, und er würde es glauben.«
    Anyas Lächeln schwand. »Ihr überrascht mich, Cerryl. Was wollt Ihr nun mit dieser Händlerin?«
    »Nichts. Ich bin ihr nie begegnet. Ich mache mir nur Sorgen um Fairhaven.«
    Die rothaarige Frau sah Cerryl eine Weile an. Schließlich lächelte sie wieder. »Das tut Ihr wirklich. Ihr seid Jeslek sehr ähnlich. Damit hätte ich nicht gerechnet.«
    Diesem Lächeln misstraute Cerryl sogar noch mehr als dem ersten.
    »Sie wird zu ihrem Schmied zurückkehren, keine Sorge. Und es ist nicht nötig, weiter darüber zu sprechen. Habt Ihr das verstanden?«
    Cerryl verstand nur, dass er Anya nicht trauen konnte, aber er wusste, dass sie ihm die Wahrheit gesagt hatte, was die Rückkehr der Händlerin anging. Es steckte noch mehr dahinter, doch er wusste nicht, was er fragen sollte oder wie er weiter ausbauen konnte, was er bisher schon erfahren hatte. So nickte er nur.
    »Gut.« Anya drehte sich auf dem Absatz um und ließ ihn stehen.
    Als sie den Hof verlassen hatte, atmete Cerryl tief durch. Was sonst hätte er tun können? Zu Jeslek oder Kinowin konnte er nicht gehen, zu Fydel ganz sicher nicht. Nur Anya war verschlagen genug, um selbst einiges vor Jeslek zu verbergen. Man kann ja hoffen …
    Langsam und sehr nachdenklich kehrte er in sein Zimmer zurück.

 
LXXIII
     
    D ie Tür wurde geöffnet, bevor Cerryl anklopfen konnte, und Leyladin flog ihm in die Arme. Er hielt sie lange fest.
    Schließlich trat sie einen Schritt zurück. »Es ist kalt draußen, komm doch herein.«
    »Ich bin gekommen, sobald ich deine Nachricht erhielt.«
    »Das sehe ich.« Sie lächelte ihn mit einer Wärme an, die ihn sofort die kalten Straßen vergessen ließ, durch die er gelaufen war, und machte ihm Platz.
    Sie gingen ins Wohnzimmer rechts neben der Eingangshalle. Im Kamin brannte ein Feuer. Cerryl genoss dankbar die

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