Die Farben des Chaos
Bisher hatte der Erzmagier in dieser Hinsicht noch nie gezögert.
»Die meisten Lanzenreiter wissen es gar nicht, aber wenn sie es wüssten, dann würden sie es Euch als Verdienst anrechnen. Jeslek meint, er braucht dort jemanden, der in den größeren Städten den Frieden wiederherstellt. Es sollte jemand sein, der über Kampferfahrung verfügt und sich nützlich macht. Er deutete an, am besten sei jemand geeignet, der nicht anderswo vermisst würde.«
Cerryl zuckte zusammen. »Er will mich aus dem Weg räumen. Ich soll verschwinden, wenn Spidlar erobert ist, ohne dass er sich selbst in Gefahr gebracht hätte.«
»Das kann sein. Aber … wenn Ihr Eure Sache gut macht und überlebt, braucht Ihr für den Rest Eures Lebens wahrscheinlich keine Angst mehr vor Pfeilen aus Seitenstraßen zu haben. Oder dass man Euch allein losschickt, um aufsässige Fürsten zu beseitigen.« Kinowins Tonfall war halb belustigt und halb ernst. Dann runzelte er die Stirn. »Ihr wisst doch, dass bisher noch kein neuer Fürst in Hydolar eingesetzt wurde? Und die Wegezölle wurden auch noch nicht entrichtet.«
»Das wusste ich nicht, aber es wundert mich nicht. Denkt Ihr, Jeslek könnte mich noch einmal dorthin schicken, wenn ich nicht die Expedition nach Spidlar begleite?«
»Ich will mir nicht anmaßen, die Pläne des Erzmagiers zu erraten.« Kinowins Augen blitzten und er lächelte ironisch.
»Was, meint Ihr, hätte Myral dazu gesagt?«, fragte Cerryl.
»Er hätte vorgeschlagen, dass Ihr Euch fügt, da bin ich sicher.« Kinowin lächelte freundlich.
Cerryl zuckte grinsend mit den Achseln. »Dann gehe ich mit.« Nicht, dass ich überhaupt eine Wahl hätte. »Gibt es etwas Bestimmtes, das ich mitnehmen soll und an das ich von mir aus nicht denken würde?«
Kinowin legte den Kopf schief. »Geduld. Außerdem ein zweites Paar Stiefel zum Wechseln und eine dicke Wolldecke. Ihr werdet vor dem Erzmagier mit Fydel nach Jellico aufbrechen. Ihr und Fydel werdet Rekruten aus Certis und ihre Kommandanten von Jellico nach Spidlar begleiten, wenn der richtige Augenblick gekommen ist.«
»Nur wir zwei?«
»Ihr bekommt eine große Abteilung Weiße Lanzenreiter, aber die meisten werden bei Jeslek bleiben, soweit ich weiß. Er hat irgendeinen Plan, aber er hat mir. nicht verraten, was er vorhat, und wahrscheinlich wird er es auch nicht tun.«
»Er muss … er muss sehr beschäftigt sein.«
»Weil er es Euch nicht selbst gesagt hat?« Der Obermagier trank einen Schluck aus seinem Becher. Anscheinend, dachte Cerryl, war weder Apfelwein noch Gelbkieferntee darin. »Beizeiten wird er sicher noch mit Euch darüber reden, aber er hat viel zu tun und in den letzten Achttagen sind die Dinge nicht einfacher geworden. Ganz und gar nicht.« Kinowin stellte den Becher auf den Tisch und blickte zum purpurnen und blauen Wandbehang.
»Die Händlerin ist nach Spidlar zurückgekehrt«, warf Cerryl ein.
»Ich weiß. Das ist schon ein paar Tage her. Ich glaube nicht, dass Jesleks Plan funktionieren wird, aber wir können nicht viel tun. Nicht jetzt und nicht auf diese Entfernung. Ich fürchte, es könnte sich sogar zu seinem Nachteil auswirken, und das habe ich ihm auch gesagt, aber er hat sich vorher nicht mit mir beraten.« Kinowin schüttelte den Kopf. »Ihr könnt nichts tun. Nicht jetzt. Konzentriert Euch auf die Dinge, die Ihr tun könnt.«
Das ist schwer … und es wird immer schwerer. »Ich werde es versuchen.«
»Ihr müsst Euch noch mehr Mühe damit geben … wenn Ihr das kommende Jahr überleben wollt.« Kinowin hob wieder den Becher. »Das war alles, was ich Euch sagen wollte.«
»Danke.« Cerryl stand auf, immer noch voller Fragen und Zweifel, dass er kaum wusste, welche Frage er zuerst hätte stellen sollen. Als er ging, bemerkte er wieder den beißenden Geruch. Trank Kinowin irgendein Gebräu, weil er krank war? Oder um einer Krankheit vorzubeugen?
Die Vorstellung, eines Tages könnte es eine Gilde ohne Kinowin geben, jagte Cerryl einen kalten Schauer über den Rücken. Bedrückt verließ er den Weißen Turm.
LXXV
W ir gehen heute Abend zu Furenk«, hatte Leyladin mit jenem energischen Ton, der keinen Widerspruch duldete, zu Cerryl gesagt. »Ich bezahle und du wirst das Essen und den Wein genießen.«
Sie liefen die Hauptstraße hinunter und wichen aufmerksam den vereisten Stellen auf dem Pflaster aus. Die Luft roch ein wenig scharf. Wie nach feuchtem Chaos, hätte Cerryl gesagt, auch wenn er keine Ahnung hatte, wie das Chaos nass
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