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Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Borodale
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immer weiter eingefriedet wird. Er nimmt jede Tätigkeit an, die er bekommen kann – in der Gegend gibt es keine sichere Arbeit mehr. Vergangene Woche ist er mit sechs blauen Felsentauben zurückgekommen, die wir im Sudhaus versteckt haben, bis er sie nach Pulborough zum Markt mitnehmen konnte. Meine Mutter war den ganzen Tag lang zornig, und als er nach Einbruch der Dunkelheit nach Hause kam, stritten sie stundenlang und verbrauchten dabei unnötig Binsenlichter. Am nächsten Morgen, als wir aus der Schlafkammer herunterkamen, sah ich, dass einer der Krüge einen Sprung hatte, aber ordentlich in den hinteren Teil des Regals geräumt worden war. Es ist nun schon das dritte Jahr, in dem wir keinen Streifen Ackerland mehr haben, um Getreide anzubauen, und selbst das Gemeindeland könnte nächstes Jahr ganz wegfallen. Also ist dies unser letztes Schwein.
    Durch die Tür des Hinterzimmers kann ich nur die Füße meines Vaters sehen, die am Bettende unter der Decke herausschauen. Er wird bald aufstehen – bevor mein Onkel kommt.
    »Wir machen das mit dem Schwein früh dieses Jahr, aber wir haben Schulden, und damit werden wir sie los«, hatte er nur gesagt, als er den Schlachttag bestimmte. Sein Gesicht war ausdruckslos, und rund um den Tisch herrschte eine bedrückte Stille. Ich rührte immer weiter mit meinem Löffel in meiner Suppe.
    »Es wird genug übrig bleiben«, sagte meine Mutter, stand auf und kehrte an den Webstuhl zurück, doch das klang mehr wie eine Frage, als wollte sie etwas wissen. Sie rieb ihre Hände an ihrer Schürze auf und ab, bevor sie das Schiffchen wieder aufnahm. Ich habe nun jeden Tag Angst, dass wir eines Tages nach unten kommen und große Männer in dunkler Kleidung vorfinden könnten, die das Licht aussperren, das durch die offene Tür fällt. Einer würde mit einem langen Federhalter Notizen machen, und die anderen würden Anweisungen erteilen, während das Haus ausgeräumt und unser Hab und Gut draußen am Weg aufgestapelt würde.
    Aber ich bin nicht ich selbst. Wie immer in den letzten Wochen überfallen mich wieder die Übelkeit und die schlechte Stimmung, und sie werden stundenlang anhalten. Ich kauere mich neben die Feuerstelle und lege die Holzscheite auf das zischende Anmachholz, ohne mir die Finger zu verbrennen. Hester ist unwirsch. Ihr Mund ist wund, weil sie Zähne bekommt, und sie vermisst noch immer ihre Schwester. Ann arbeitet seit zwei Monaten in Wiston House, und wir haben ihr nicht verziehen, dass sie uns verlassen hat. Doch nur Hester darf ihre Gefühle zeigen. Meine eigene Wut sucht sich andere Wege.
    Ich weiß, dass meine Mutter in ihrem Zustand nicht mehr mit den Kindern fertig wird. Ihre Kräfte sind verbraucht. Letztes Jahr kamen zwei Kinder zu früh auf die Welt, kleine, nackte Püppchen. Wir haben sie in Tücher gewickelt und hinter dem Haus begraben. Aber es kommen immer mehr, auch jetzt ist ihr alter Frauenkörper von einer weiteren Last angeschwollen.
    Das Feuer lodert.
    Lange gelbe Flammen erzeugen Hitze für die harte Arbeit des Tages. Ich schicke William los, damit er an der Pumpe am Ende des Weges Wasser holt, und mache mich selbst daran, die Töpfe zu schrubben.
    Ich verberge es gut. Meine Mutter darf nicht merken, dass mir übel ist, denn sonst wird sie denken, ich hätte Fieber, und dann müsste ich einen Brei aus Kräutern oder eine lebende, in Butter geschwenkte Spinne schlucken. Ich kann keiner Menschenseele erzählen, was mit mir los ist, nicht einmal Ann, und jetzt, wo sie weg ist, gibt es auch niemanden, dem etwas auffällt. Es sind erst zwei Blutungen ausgeblieben, und doch habe ich in diesen Monaten gespürt, wie mich der kleine innere Sturm verändert. Meine mädchenhaften Brustwarzen schmerzen, und meine Haare fühlen sich so fremd an, als würden sie auf dem Kopf eines anderen Mädchens wachsen. Manchmal habe ich das Gefühl, ich müsste platzen, weil ich dieses Unglück für mich behalten muss, und dann flehe ich mich selbst an, es jemandem zu erzählen. Wenn diese Momente der Schwäche vorbei sind, stelle ich mir den Tag vor, an dem meine Mutter es merkt. Ich male mir ihren Wutanfall aus und wie sie dann steif vor Scham würde, während sie mir den Rücken zukehrt. Mein Vater würde einen Zorn empfinden, der noch lange anhielte, nachdem er die zwei Meilen vom Wirtshaus nach Hause geschwankt wäre. Ich stelle mir nie vor, was danach geschehen würde. Allein bei dem Gedanken daran steigt eine Panik in mir auf, die mich wanken und mein Herz in

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