Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)
knirschen auf dem Pfad, und mein Onkel erscheint. Nun beginnen die eigentlichen Schlachterarbeiten. Ich mache mich sofort daran, die Zwiebeln zu schneiden, und wende mich dabei ab. Der Geruch des Schweines ist in diesem Jahr zu stark für mich – ich ertrage ihn nicht. Das Blut ist zu rot, die Haut meiner eigenen zu ähnlich. Ich muss immer wieder schlucken, um weiterarbeiten zu können.
Mein Onkel kann gut mit dem Fleischermesser umgehen, nicht wie mein Vater, der keine Geduld hat. Als ich kleiner war, habe ich meinem Onkel gern dabei zugesehen, wenn er den Tierkörper zerlegte. Die Leichtigkeit, mit der er die Seiten voneinander trennte, hatte etwas Wunderbares, als wäre dies der im Grunde von der Natur vorgesehene Weg, es war so ordentlich. Es gefiel mir, wie sich das Fleisch hinter dem Schnitt des Messers zurückzog, als müsste man es nur an den richtigen Stellen berühren, damit es sich von selbst zerteilte. Die Knochen nicht, sie mussten zersägt werden und zersplitterten häufig unter der Klinge. Auch nicht auf das faserige Fettnetz aus dem Bauchfell. Daran musste er zerren und reißen, um es zu lösen und dann in den Fetttopf zu tun. Dieses Schwein sollte rund drei Liter Fett liefern, das ausgelassen, gekocht und abgeseiht werden würde. Ein bisschen würde übrig bleiben, um es in Mehl zu kneten und kleine Küchlein zu backen.
»Oh, das Fett riecht gut!« William ist aufgeregt und hüpft mit seinem Löffel in der Hand auf und ab. Als er den aufsteigenden Schaum abschöpft, steht sein kleiner Mund vor Aufmerksamkeit offen.
Der ganze Kopf des Schweines kocht weißlich in einem tiefen Topf am Rand des Feuers. Ich stelle den Topf immer so hin, dass die Schnauze nach innen auf die Flammen zeigt, als würde das Schwein sich wärmen und könnte nicht sehen, was wir mit dem Rest des Körpers tun. Ich sorge dafür, dass der Kopf bis zu den Ohren bedeckt ist, damit es nicht einmal hören kann, was wir sagen, bis er schließlich weich in seine eigenen Säfte zerfällt. Wenn es so weit ist, wird der Topf von der Hitze weggezogen und kühlt ab. Sobald man ihn anfassen kann, wird William sich hinsetzen und den Schädelknochen von allen Resten säubern. Er macht das ganz vorsichtig, aber die Zunge häutet er nicht selbst.
Ich denke nach und denke nach.
Anfangs in Mrs. Mellins Küche sind die Gedanken in meinem Kopf hin und her geschwappt wie Wasser in einem Eimer, das man vom Brunnen nach Hause trägt. Mein Herz hat so heftig geschlagen, dass ich Angst bekam und die Hände auf die Brust presste. Die ganze Zeit über haben die Münzen mich angestrahlt. Sie lagen in einem gelben Häufchen auf dem Holztisch. Ich habe kaum gewagt, sie wieder zu berühren, auch wenn meine Finger hin und wieder von der Stelle über meinem Herzen wegwanderten und über ihnen schwebten.
Sind sie ein Zeichen von Gott?, habe ich gedacht.
Soll ich sie unberührt liegen lassen? Sollen sie meine Ehrlichkeit auf die Probe stellen? Sind sie ein Geschenk des Schicksals? Sind sie vom Tode befleckt? Gehören sie jetzt Gott? Wie viel kostet eine Beerdigung? Ist Gold Eigentum des Teufels? Wie sieht die Strafe aus, wenn man eine Leiche bestiehlt?
Draußen in ihrem Hof zankten sich die Hühner.
Ich habe Körner aus einem Sack gescheffelt und bin hinausgegangen. Es war irgendwie überraschend, dass immer noch dieselbe Sonne schien. Ich holte tief Luft. Die Blätter an den Buchen und der Birke, die sich in verschiedenen Gelbtönen gegen den blauen Himmel abhoben, leuchteten und fingen das Licht ein. Zwei Finken wiegten sich auf Distelköpfen und pickten Samen heraus. Die Luft war frisch und sauber, eine kalte und reinigende Art von Luft, in der die Welt wie frisch gewaschen und leuchtend aussah. Es könnte schwierig sein, in einer solchen Atmosphäre der Klarheit ein Geheimnis zu verbergen, habe ich überlegt.
Ich warf einige Handvoll Körner hin, und sie trommelten auf den Boden wie starker Regen, der am Anfang eines Wolkenbruchs im Sommer auf ausgedörrten Boden trifft. Die Hennen stolzierten heran und liefen aufgeregt durcheinander. Es war verschwenderisch, den Vögeln guten Weizen zu geben, aber dort, wohin Mrs. Mellin gegangen war, würde sie kein Mehl brauchen.
Ich musste fast darüber lachen, wie sehr sich die Welt verändert hatte.
Die gelben Münzen haben meinen Kopf leicht und frei gemacht, es fühlt sich ganz anders an als meine großen Sorgen.
Nur sechs von Mrs. Mellins Hühnern sind übrig geblieben. Im Oktober, als der Boden vom
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