Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)
ich ihn.
»Die … ganze Zeit«, stammelt er schüchtern.
* * *
Weil ich stundenlang lese, bin ich spät dran für meine Verabredung mit einem Mann von dem Bankhaus in der Lombard Street. Er wird mich hinsichtlich der Gelder, die ich nun besitze, beraten. Der Stand meines Kontos! Beinahe muss ich laut lachen, weil mir das alles so absurd vorkommt.
Bei meiner Ankunft werde ich in einen Warteraum geführt, wo ich Platz nehme. Es ist merkwürdig, dass man plötzlich aufrechter sitzt und die Füße ordentlich nebeneinanderstellt, wenn man ein gutes Kleid trägt. Vermutlich liegt es an der Macht von Gold und Vermögen, selbst in geringeren Mengen, als ich es nun habe. Es ist rätselhaft, erstaunlich und widerwärtig zugleich. Gewiss wäre jetzt eine gute Gelegenheit, eine letzte Angelegenheit in Ordnung zu bringen. Ich kann nicht mein ganzes Leben lang mit einem schlechten Gewissen leben, und deshalb liegen Mrs. Mellins Münzen, in Wachstuch eingewickelt, auf meinem Schoß – ich will sie ihm zeigen.
Der Bankier ist ein forscher, gepflegter Herr namens Mr. Dunn, der einen braunen Samtrock von der Farbe eines Pferdes trägt. Sein Gesichtsausdruck ist höflich, als wir meine Angelegenheiten durchsprechen. Ich versuche zu verstehen, was er mir mitteilt. Anscheinend bin ich wohlhabend und habe hier und dort Geld angelegt. Seine Perücke ist makellos.
»… und zum Besten Ihrer Familie«, sagt er abschließend.
Mein Kind!, denke ich und gelobe, dass ich sein Wohlergehen über alle anderen Dinge stellen werde. Deshalb empfinde ich auch nicht die angebrachte Reue, als ich hervorstoße: »Diese Goldmünzen hier, kann ich sie auch bei Ihnen lassen?« Ich schütte sie aus dem Wachstuch wie ein Geständnis vor ihm aus. Meine Hände zittern so sehr, dass ich sie unter dem Tisch verstecke. Mrs. Mellins Münzen liegen glänzend auf dem polierten Holz.
»Gewiss«, antwortet Mr. Dunn zuerst. Aber als er die erste Münze in die Hand nimmt, nimmt sein höfliches Gesicht einen konzentrierten Ausdruck an. Er setzt eine Brille auf, um besser zu sehen.
»Stimmt etwas nicht, Mr. Dunn?«, frage ich ängstlich. Er dreht die Münzen in seinen sauberen weißen Händen hin und her und untersucht sie genau. Dann räuspert er sich und legt die letzte Münze wieder hin. Der Tisch zwischen uns ist sehr breit.
»Haben Sie sie schon lange?« Er nimmt die Brille ab und sieht mich aufmerksam an. Ich schüttle den Kopf.
»Wie viel ist es … insgesamt?«, frage ich. Meine Stimme klingt dünn in dem großen Raum. Kann er wissen, dass sie gestohlen sind? Doch das ist nicht möglich.
Sehr langsam erwidert er: »Ich muss Ihnen leider sagen, dass ich diese Münzen nicht für Sie aufbewahren kann, Mrs. Blacklock.«
»Warum nicht?«, frage ich, und das Herz schlägt mir bis zum Hals.
»Es sind illegale Münzen. Sie sind nichts wert, sie sind praktisch wertlos.« Er legt eine oder zwei auf eine kleine Messingwaage. »Ihr Gewicht ist fehlerhaft, und man hat daran herumgepfuscht, um ihre Mängel zu verbergen.«
»Wollen Sie damit sagen, dass es sich um Fälschungen handelt?«, frage ich und schlucke. Damit habe ich nun überhaupt nicht gerechnet. Mrs. Mellins Münzen haben keinen rechtmäßigen Wert?
»Es sind keine richtigen Fälschungen, aber an ihnen wurde herumgepfuscht.« Er schiebt eine Münze zu mir herüber. »Sehen Sie, der Kopf von König George II. wurde der ursprünglichen Prägung unsachgemäß hinzugefügt. Diese spanische Münze hat hier keinen Wert.« Er hält eine weitere Münze ins Licht, und sie glänzt stark. Wieder sieht er mich sehr direkt an. »Jemand hat sie blank gescheuert, damit man nichts mehr davon sieht. Aber sie sind ziemlich dünn, für ein geübtes Auge ist klar zu erkennen, dass sich jemand daran zu schaffen gemacht hat.«
»Also sind sie nicht einmal aus Gold?«, bringe ich schwach hervor.
»Sie sind aus Gold, aber sie sind kein legales Zahlungsmittel. Strenge Strafen stehen auf den Besitz derartiger Münzen. Deshalb kann ich sie natürlich nicht annehmen.« Er nimmt die Brille von der Nase. »Sie sind bestürzt, Mrs. Blacklock. Es tut mir leid, dass ich Sie in Verlegenheit bringe, aber Sie sind offensichtlich das unglückliche Opfer eines Betrugs geworden. Dort draußen gibt es jede Menge Halunken. Es tut mir nur leid, dass Sie Schwierigkeiten haben werden, das Geld loszuwerden.« Ich sammle die Münzen wieder ein. »Ich bin nicht sicher, welchen Rat ich Ihnen geben soll«, fährt er fort, »aber
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