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Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Borodale
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Erläuterung.
    Am Ende der Woche überrascht er mich wieder.
    »Es ist offensichtlich, dass du eine Begabung für diese Arbeit besitzt. Die Energie, die ich aufwende, um dich in bestimmte Wissensgebiete einzuführen, wird vielleicht nicht verschwendet sein.« Er hält inne, um zu husten. »Ich will offen sprechen: In der Vergangenheit habe ich mit der Ausbildung von Assistenten nicht viel Erfolg gehabt. Aber du bist empfänglich für Informationen, was mir gefällt und darauf hinweist, dass gründliches Lernen zu guten Ergebnissen führen könnte.«
    Ein Funken Hoffnung glimmt in mir auf. Doch dann denke ich, ich sollte mir vielleicht nicht schmeicheln, dass dies irgendeiner besonderen Eigenschaft zuzuschreiben wäre, die ich habe. Mary Spurren hatte mir schon von seinem letzten Lehrling erzählt.
    »Davey Halfhead war ein untersetzter junger Mann, der überall Furunkel hatte«, hatte sie gesagt. »War ziemlich jähzornig. Ich hab richtig durchgeatmet, als er weg war. Aß jede Menge Fett. Brot hat er nicht angerührt. Sagte, davon bekäme er einen Krampf im Bein.« Mary Spurren hatte beim bloßen Gedanken an ihn tief durchgeatmet. »Mr. Blacklock ist kein Mann, der mit Gehilfen zurechtkommt.«
    »Gibt es noch weitere Männer wie Sie, Sir?«, frage ich.
    »Wie mich?« Er sieht amüsiert aus. »Wir sind eine mannigfaltige Sippschaft. Die Bandbreite reicht von einfachen Handwerkern, die Zehntausende von Feuerwerkskörpern herstellen, bis hin zu Impresarios wie Torré, die nichts selbst machen und sich nur um das Spektakel kümmern. Es gibt Philosophen, die Ideen der Natur übermitteln wollen, und ganze Familien, die die Städte Europas mit ihren meisterhaften Feuerwerken bereisen.«
    »Und all diese Leute verdienen ihren Lebensunterhalt mit diesem … Gewerbe?«
    »Der Appetit auf künstliche Feuerwerke ist nicht zu stillen, jedenfalls scheint es so. Einst war es das Privatvergnügen von Königen, und jetzt ist der einfache Mann gerne bereit, für unsere Darbietungen zu zahlen. Und wir alle möchten die ungewöhnlichste, umwerfendste, die größte, beste, neueste Kreation erfinden. Unter uns Pyrotechnikern herrscht ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb.«
    »Aber wie kann dann irgendjemand etwas lernen, Sir?«
    Er sieht mich an. »Das ist eine kluge Frage. Das Wissen wird grundsätzlich nur mündlich zwischen den interessierten Parteien weitergegeben. Weder die Formeln noch die Tricks des Gewerbes kommen an die Öffentlichkeit, bevor ein Feuerwerk fertig ist. Falls wir einmal etwas schriftlich festhalten, dann nur in Form eines Manuskripts, das wir sorgfältig wegsperren. Die Pyrotechnik ist ein geheimniskrämerisches Geschäft.«
    »Schreiben Sie Ihre Rezepturen auf, Sir? Wie erinnern Sie sich daran?«
    »Das habe ich noch nie getan«, entgegnet Mr. Blacklock. »Sie sind in meinem Kopf besser aufgehoben.«
    »Aber wenn Ihnen etwas zustoßen sollte?« Ich stelle jetzt zu viele Fragen.
    »Die Welt würde damit zurechtkommen, wenn ihr Aufzeichnungen über meine Arbeit vorenthalten würden«, sagt er. Einen Moment lang ist sein Gesicht wie versteinert, dann zuckt es kurz. Er räuspert sich. »Es gibt viel zu lernen. Wie kann jemand etwas über die Qualität von Substanzen lernen, ohne etwas darüber zu wissen, woher sie stammen und wie sie sich zusammensetzen?« Er entkorkt ein Gefäß mit Schwefelkristallen und schüttet ein wenig in eine Schale. »Dasselbe könnte man im weiteren Sinne vom Leben sagen«, meint er.
    »Mrs. Blight sagt, das Leben ist nur Leiden«, erwidere ich unwillkürlich. »Nur Leiden, sagt sie.«
    Der Schwefel ist weich und gelb. Mr. Blacklock blickt auf und dann wieder auf das Werkzeug in seiner Hand.
    »In der Tat, anscheinend gibt’s eine Menge davon«, sagt er. Seine Stimme ist leise. Vielleicht denkt er an seine verstorbene Frau. Meine Tante hat immer gesagt, dass die Trauer meiner Mutter um ihre Mutter nicht heilen konnte, weil sie sich weigerte, darüber zu sprechen. Die Trauer war in ihr gefangen.
    »Wie war Mrs. Blacklock?«, frage ich vorsichtig und beobachte sein Gesicht. Er sieht mich unverwandt an und sagt einen Moment lang nichts.
    »Sie war sehr klein«, sagt er dann und wendet sich wieder seiner Arbeit auf der Werkbank zu. Seine Jacke sieht an der Rückseite glatt und abgetragen aus. Ich überlege, ob er vielleicht versucht, sie mit seinen Feuerwerken zu erreichen. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht versucht er, Gott zu bestrafen, überlege ich, es liegt eine Art

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