Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)
wie vereiste Fliegen, die in Schwärmen tanzen. Als Joe Thomazin sich mir nähert, um mir eine neue Kiste mit Hülsen zu bringen, sehe ich, dass er zittert.
»Frierst du?«, frage ich ihn und strecke die Hand aus, um sein Gesicht zu berühren. Er zuckt zusammen, als rechnete er damit, dass ich ihm wehtun will. Ich sehe ihn betroffen an, aber er ist schon zum Ofen gegangen.
»Er mag es nicht, angefasst zu werden«, sagt Mr. Blacklock, obwohl er mir den Rücken zuwendet. Ich erinnere mich daran, was Mr. Blacklock mir kurz nach meiner Ankunft erzählt hatte, als Joe Thomazin außer Hörweite gewesen war.
»Seine Mutter, die zweifellos eine Säuferin oder eine Hure war, hat ihn aus einer Laune heraus allein gelassen, und die Pfarrgemeinde hat sich seiner angenommen. Sie ist nie zurückgekommen, um ihn zu holen. Sie hat ihn im Stich gelassen. Vielleicht ist sie auch gestorben.« Mr. Blacklock hatte bei diesen Worten mit den Schultern gezuckt und hilflos die Hände ausgebreitet, als trüge er schwer daran, es nicht zu wissen. »Joe Thomazin kennt sich mit Entbehrungen aus. Die meisten Waisenkinder werden nicht einmal sechs Jahre alt, sondern sterben elend und krank aus Mangel an Milch oder Hygiene.«
Ich werfe einen schnellen Blick zum Ofen, wo Joe Thomazin hockt und mit seinen schmutzigen Fingern heruntergefallene Kohlenstücke aufsammelt. Wie klein er aussieht! Und er hat mir nicht verziehen, dass ich mein Geheimnis vor ihm versteckt habe.
»Sterne zum Beispiel«, sagte Mr. Blacklock und unterbricht damit meine Gedanken, »können mit Holzkohle verbessert werden.«
»Wie sehen sie aus, Sir?«
»Wie Leuchtkugeln, kleine Planeten aus sehr hellem Feuer. Sterne mit langen Schwänzen, die lange leuchten, werden mit sehr viel Holzkohle erzielt. Sie brennen langsam, und die Schwerkraft zieht sie in einer bernsteingelben Spur herunter. Dabei scheinen sie zu hängen, wie Weidenzweige, die sich zum Wasser hinunterbeugen.« Er zeigt mir ein paar, die bereits fertig sind.
»Sie sehen aus wie zerbrochene Pastillen«, staune ich und halte eine in die Höhe.
»Es gibt sehr viel, von dem du noch nichts weißt«, sagt Mr. Blacklock. Seine Augen funkeln so schwarz, als sich unsere Blicke treffen, dass ich den Blick nicht abwenden kann. »Feuer, das so weiß ist, dass es schmerzt, wenn man hineinsieht. Funken wie Eis. Kleine Leuchtkugeln, Fächer, Fontänen. Unser Feuer ist wie die Edelmetalle am Ursprung ihres Daseins, als die heißen Münder der Götter Gold und Silber ausspuckten. Wir können nur weißes Feuer herstellen, warm oder kalt getönt – wie es uns gefällt. Aber die Palette seiner Reinheit ist so außergewöhnlich, so transformierend, dass diese Einschränkungen keine Rolle spielen.« Sein dunkles Gesicht strahlt vor Freude. Ich habe ihn noch nie auf diese Weise lächeln sehen. Es muss daran liegen, dass seine Verbrennung heilt und nicht mehr so stark schmerzt. »Kanonenschläge! Garbenfeuer! Feuerregen! Bengalische Flammen! Tourbillons! Schlangenraketen!« Das Ding in mir, für das ich keinen Namen habe, scheint sich vor Begeisterung zu bewegen, während er spricht.
Obwohl, mit Schlangen kenne ich mich aus, denke ich. In den Downs rekeln sich an heißen Tagen die Kreuzottern. Während sie den Sonnenschein aufsaugen, bewegen sich ihre trockenen Flanken beim Atmen. Es ist ratsam, geräuschvoll durch das Gras zu gehen, damit sie davongleiten.
Das Fett einer Kreuzotter ist das Heilmittel gegen ihren giftigen Biss, heißt es.
Um zwölf Uhr unterbrechen wir unsere Arbeit, um zu Mittag zu essen. Es ist Mrs. Blights freier Tag, und Mary Spurren hat das Feuer in der Küche ausgehen lassen, damit der Kaminkehrer den Rauchabzug reinigen kann. Er hat gerade seine Bürsten zusammengepackt und ist gegangen.
»Das schlägt mir auf die Stimmung«, sagt Mary Spurren und starrt düster auf den Herd. »Es gibt nichts Kälteres als ein Feuer, das aus ist.« Sie hat recht. Es ist ein ernüchternder Anblick.
Sie schneidet das kalte Hammelfleisch auf, das sie aus dem Fliegenschrank genommen hat.
Eine Feuerstelle ohne Feuer ist in der Tat trostlos. Mrs. Mellins Feuer war seit Tagen aus gewesen, als ich sie gefunden habe. Ich weiß nicht, ob das Feuer gebrannt und ihr flackernd Trost gespendet hat, als sie starb, ob es ihren Körper in dem Moment wärmte, als ihr Herz entschied, nicht weiterzuschlagen. Oder hat sie trübsinnig vor einem dahinschwindenden, rauchenden Haufen gesessen, weil sie die Winterkälte schon bis in die
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