Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)
Gewalttätigkeit darin. Ich habe tief in seinen Augen so etwas wie ein schwarzes Feuer entdeckt.
»Und dein eigenes Unglück?«, fragt er unvermittelt. Zuerst geht ein Ruck durch mich, weil ich glaube, er meint das Kind in mir. Dann erinnere ich mich mit Bedauern daran, dass ich behauptet hatte, meine ganze Familie wäre eines Nachts bei einem Feuer ums Leben gekommen.
»Warst du zu Hause?«, fragt er.
Ich nicke.
»Hast du versucht, es zu löschen?«
»Oh ja«, sage ich. Was kann ich ihm erzählen? »Es war früh«, murmle ich und hebe eine Hand ans Gesicht. »Ein paar von ihnen schliefen oben noch. Zuerst dachte ich, es wäre nur ein kleines Feuer. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Es muss ein Funke gewesen sein …«, sage ich und fahre zögernd fort, »und die aufgehäufte Wolle unten an der Treppe muss schnell Feuer gefangen haben.« Mr. Blacklock sieht mich an.
Ich halte inne. Ich kann nicht mehr weiter und verschränke voller Qual die Arme vor meinem Magen, wegen der Lüge und aus Heimweh. Es fühlt sich an, als hätte ich meine Familie mit meiner erfundenen Geschichte umgebracht.
LICHTERBILDER
16
Meine Weberinnenhände verändern sich. Die Nägel werden schwarz, und die Fingerspitzen sind wund vom Berühren der trockenen Chemikalien. Zwischen meinen Fingern sind schmerzhafte Risse entstanden. Zuerst habe ich versucht, mit den großen Lederhandschuhen zu arbeiten, die im Regal liegen, aber sie sind für Männerhände bestimmt. Sie sind weit und steif und nehmen mir meine Geschicklichkeit. Also verrichte ich stattdessen die Arbeit zügig mit bloßen Händen. Ich kann zwanzig Hülsen füllen, bevor die Glocke in dem schlanken Kirchturm von St. Mary the Virgin Mittag schlägt. Abends vor dem Schlafengehen reibe ich gelbe Wundsalbe auf meine Hände. Aber inzwischen spüre ich nicht mehr diese Wellen von Übelkeit, wenn ich morgens aufstehe. Ich fühle mich allmählich sogar wieder recht gut – es ist, als hätte sich frische Lebenskraft in mir eingenistet.
* * *
Es ist die dunkelste Zeit des Jahres.
Um den Weihnachtstag wird kein großes Aufheben gemacht. Zwar rufen die Glocken in ganz London die Gläubigen in die Kirchen, aber ich selbst gehe nicht. Mrs. Blight kocht Haferbrei mit Pflaumen. Zuerst ist es zu kalt für starken Schneefall. Feine, pudrige Flocken fallen vom Himmel, und ein schneidender Wind wirbelt sie herum. Als der Wind sich legt, sinkt der Schnee zu Boden wie die Asche im Herd, wenn das Feuer ausgegangen ist.
Wenn wir in der Werkstatt zu weit vom Ofen entfernt sitzen, weht unser Atem in Wölkchen um uns herum.
»Mit Holzkohle kenne ich mich aus, Sir«, verkünde ich, als Mr. Blacklock ein paar Stücke auf die Werkbank legt. »Die Männer schlagen gutes frisches Holz und lassen es langsam in einem Erdhaufen vor sich hinbrennen. Ungefähr am fünften Tag verstopfen sie die Ritzen und lassen die heißen Kohlen abkühlen, wo sie sind.«
»So ist es«, sagt Mr. Blacklock. »Das Holz verkohlt leise vor sich hin, und das eingeschlossene Feuer frisst an dem markhaltigen Holz, bis es so spröde und hart ist wie Glas. Holzkohle ist der Brennstoff im Schwarzpulver.«
»Bei uns in Sussex benutzen die Köhler Haselsträucher aus dem Unterholz, manchmal auch Weiden oder Erlen«, sage ich. Ich füge nicht hinzu, dass man am Fluss Waldbaumläufer beobachten kann, kleine Vögel mit weißem Bauch, die die Erlen hinauflaufen. Die Blätter der Erlen sind hart und spenden einen dichten Schatten, sodass der Fluss unter ihnen ohne Wärme und ohne Sonne dahinfließt. Der Wind faucht, wenn er durch Erlen fährt. Die Blätter der Haselnusssträucher sind so dick wie Stoff, aber sie sitzen nicht sehr dicht an den Zweigen, sodass die Sonne hindurchfällt und Lichtsprenkel auf den Waldboden wirft.
Unten am Blackpatch Hill gibt es am Rand des Haselnusswäldchens viele Kaninchenbaue. Mein Vater war dafür bekannt, dass er dort mit seinem gebogenen Haumesser auf dem Rücken Wildkaninchen fing, wenn er von Findon zurückkam.
Und dabei fällt mir etwas ein: Es heißt, dass Kaninchenmütter, die geworfen haben, wenn es zu kalt und das Futter knapp ist oder die Lebensbedingungen zu schlecht sind, um die Jungen ausreichend zu säugen, diese manchmal wieder verschlucken. Keine Verschwendung. Es liegt etwas Reines darin, wenn ihre winzigen Seelen sich wieder in der Wärme und Dunkelheit des mütterlichen Körpers auflösen.
Draußen vor dem Fenster wirbelt der Schnee schwindelerregend durch die Luft,
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