Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)
Gesetz ein wenig beugen muss, dann soll’s so sein.«
Wieder nimmt er meinen Schlägel und dreht ihn auf dem Tisch.
»Sie sind ein gutes Mädchen«, sagt er, nun nicht mehr ernst. »Sie werden einen schlechten Eindruck von mir bekommen, wenn ich weiter so rede!«
»Es spielt keine Rolle, wie Sie sprechen«, sage ich mit einem Schulterzucken. »Und jetzt lassen Sie diesen Schlägel liegen! Ich mag es nicht, wenn meine Ordnung durcheinandergebracht wird. Ich möchte die Hand ausstrecken und das richtige Werkzeug greifen, ohne hinsehen zu müssen.« Ich sorge dafür, dass er das Lächeln sehen kann, das ich angeblich vor ihm verberge.
»Sie sind aber streng mit mir«, sagt er lachend und stellt den Schlägel absichtlich auf den Kopf an die falsche Stelle. »Aber ich warne Sie, meine gestrenge Miss Trussel, mein weiches Herz schlägt trotzdem weiter. Während Sie zu Hause waren und Ihr Sackleinen gewebt haben und gackernde Hühner um Sie herumgelaufen sind, war ich dort draußen …«, er macht eine ausholende Geste Richtung Fenster, »… und habe für meine Freiheit gekämpft.«
Ich bin in meine Aufgabe vertieft und sehe ihn nicht an. »Kammgarn«, stelle ich richtig, »es war Kammgarn, das wir verarbeitet haben, und zwar zu einem sehr robusten Stoff.«
Er lacht, und bevor er sich auf den Weg zur Tür macht, beugt er sich dicht zu mir herunter. »Ich habe gehört, dass Sie ein rechtes Talent für diese Feuerwerkerei haben«, flüstert er mir ins Ohr.
»Das haben Sie gehört? Wo?«, frage ich verdutzt, aber er lächelt nur und tritt hinaus in den Schnee.
* * *
Um diese Zeit des Jahres wird es so früh dunkel. Um vier Uhr am Nachmittag kommt Mr. Blacklock zurück und nimmt mit heiterer Miene seinen Platz an der Werkbank ein. Joe Thomazin bringt die angezündete Lampe herein, damit wir in ihrem Schein weiterarbeiten können.
Mr. Blacklock wirkt heute Abend nahezu aufgeräumt, wie ein Mann, der sich mit einem Problem herumgequält hat und zu einer Lösung gekommen ist. Mit seinen schwarzen Fingern nimmt er einen Schilling aus seiner Weste und trägt Joe Thomazin auf, zum Pastetenladen zu laufen.
»Warum sollten wir nicht gleich hier, wo wir sitzen, zu Abend essen? Schließlich sind wir jetzt hungrig, und es ist absolut möglich, unseren Appetit sofort zu stillen!«, sagt er. Er klatscht in die Hände, damit Joe Thomazin sich beeilt. Die Pasteten, mit denen der Junge zurückkommt, sind heiß und mit Schweinefleisch und Kartoffeln gefüllt. Eine davon bringt er zu Mary Spurren in die Küche, und ich sitze mit Mr. Blacklock in angenehmem Schweigen vor dem wärmenden Ofen. Die Fleischsäfte haben Blasen geworfen und sind an den Teigrändern zu schwarzem Zucker erstarrt. Ich lecke mir die Finger ab und denke über mein Glück nach.
»Schmeckt es dir?«, fragt Mr. Blacklock, und ein kleines Lächeln funkelt in seinen Augen. »Die Welt wirkt gleich ein bisschen angenehmer, wenn man eine heiße, frisch gebackene Pastete in den Händen hält! Sie sind gut gewürzt, nicht wahr? Nicht wie der fade, fettige Mist, den diese Frau auftischt.« Er kommt mir sehr groß vor. Was ist passiert, das ihn so lebhaft und beschwingt macht?
»Es gibt etwas in der Arbeit eines Chemikers namens Hales, das ich interessant finde«, sagt er unvermittelt, als könnte er meine Gedanken lesen. »Er hat verschiedene Arten von Lüften gemessen, die er bei der Reaktion von Säure mit Metallen gewann. Er beobachtete sie sorgfältig, obwohl er nicht viele Schlüsse aus seinen Untersuchungen gezogen hat.«
»Was ist eine Luft , Sir?«
»Das, was Van Helmont ein Gas nannte, wird neuerdings als Luft bezeichnet, und davon gibt es eben viele verschiedene Arten. Fixierte Luft zum Beispiel entsteht, wenn eine Substanz wie Kohle verbrennt.« Er macht eine Pause und beißt wieder in seine Pastete. »Heute Nachmittag bei Child’s kam die Rede auf einen Mann aus Edinburgh, der bedeutende Forschungsarbeiten in dieser Richtung durchführt.«
Ich nicke und sage nichts. Eine hoffnungsvolle Wärme, die nicht vom Ofen herrührt, durchströmt mich. Als ich zu ihm aufsehe, während er spricht, fällt mein Blick unvermutet auf seinen Hals und die Haut unterhalb seines Kiefers. Ich sehe, wie fest und glatt sie ist, und begreife, dass er nicht älter als fünfunddreißig sein kann – keineswegs so alt, wie ich gedacht habe.
Wie sehr muss er seine Frau vermissen, denke ich.
Als ich an diesem Abend oben in meiner Kammer bin, starre ich eine ganze Weile
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