Die Farm am Eukalyptushain
hatte ich bei einer fahrenden Truppe, als ich ein paar Minuten alt war. Ich bin der Inbegriff des Theaterkindes.«
Clemmie starrte sie an.
»Mein Vater ließ mich Shakespeare auswendig lernen, bis ich die Texte fehlerlos hersagen konnte. Und Shakespeare hatte Recht.« Sie lächelte. » ›Die ganze Welt ist Bühne, und alle Frau’n und Männer bloße Spieler. Sie treten auf und gehen wieder ab, sein Leben lang spielt einer manche Rollen.‹ So werde ich aufhören, wie ich angefangen habe. Als Mitglied einer Truppe werde ich abgehen und im nächsten Kapitel meines Lebens eine neue Rolle spielen.«
»Ach, Kitty«, schluchzte Clemmie. »Ich ertrag’s nicht, dass du hier draußen festsitzen sollst.«
»Sei nicht traurig«, sagte Catriona leise. »Ich fange ein neues Abenteuer an. Freu dich für mich, Clem! Ich bekomme endlich die Chance, eine richtige Mutter zu sein.«
»Mutter sein ist aber nicht einfach«, schniefte Clemmie. »Kinder können auch richtige Biester sein.«
Catriona lächelte. »Ich weiß. Und ich freue mich auf die Herausforderung.«
»Jetzt muss ich telefonieren.« Clemmie putzte sich die Nase. »Wo steht der Apparat?«
»Es gibt keinen.« Catriona lachte, als sie Clemmies entsetztes Gesicht sah. »Wir benutzen das Funkgerät. Es verbindet uns mit der Telefonvermittlung.«
»Wie um alles in der Welt kann jemand ohne Telefon leben?« Clemmie war fassungslos.
»Weiß ich nicht. Aber ich freue mich darauf, es herauszufinden.«
Fred hatte seine Sachen in die Schlafbaracke geschafft, aber Catriona und Clemmie richteten sich trotzdem im Gästezimmer ein. Die Stahlfedern der alten Eisenbetten quietschten jedes Mal, wenn sich eine bewegte, doch irgendwann hörte Clemmie auf, sich zu beschweren, und kam zur Ruhe. Bald darauf hörte Catriona ihr tiefes, gleichmäßiges Atmen und wusste, dass sie eingeschlafen war.
Catriona lag in dem spärlich eingerichteten Zimmer und beobachtete, wie die Mondschatten über die Decke wanderten. Sie konnte die Stille ringsum fühlen. Jenseits der Holzwände erstreckte sich das leere Land Tausende von Meilen weit in alle Richtungen. Die nächsten Nachbarn waren in Drum Creek, aber die kleine Ortschaft lag inmitten der endlosen, einsamen Weite des Outback, das von einem Horizont zum anderen reichte.
Einen Moment lang erfasste sie Panik. Was wäre, wenn Clemmie Recht hatte und sie mit der Einsamkeit nicht zurecht kommen würde? Das Leben hier würde anders sein als die kurzen Besuche, die sie bisher gemacht hatte. Und was wäre, wenn die Kinder sie nicht als Mutter haben wollten? Wenn sie sich als miserable Mutter erwiese und erbärmlich scheiterte? Sie drehte sich um und vergrub das Gesicht im Kopfkissen. Sie sehnte sich nach Schlaf, aber diese Gedanken waren offenbar entschlossen, sie wachzuhalten.
Der Entschluss, sich von der Bühne zurückzuziehen, würde eine Menge Organisation erfordern. Zunächst die Tosca – und dann die Gastspiele in London und New York, die den größten Teil der kommenden anderthalb Jahre beanspruchen würden. Clemmie würde Pressekonferenzen, Fernsehauftritte und weitere Schallplattenaufnahmen arrangieren. Wenn sie im Farmhaus wohnen wollte, musste auch hier einiges verändert werden. Fred würde ausziehen müssen, und dafür musste eines der Nebengebäude bewohnbar gemacht werden. Zimmer für die Kinder mussten angebaut werden; sie brauchte eine moderne Küche. Das ganze Haus war renovierungsbedürftig. Fred hatte es vielleicht genügt, doch sie war mehr Komfort gewohnt und sah nicht ein, warum sich daran etwas ändern sollte, wenn sie hier draußen lebte.
Catriona drehte sich wieder auf den Rücken und starrte an die Decke. Das Apartmentgebäude in Sydney war vermutlich die beste Investition, die sie je gemacht hatte. Angesichts der Eröffnung der neuen Oper innerhalb der nächsten zwei Jahre und der Sanierung des Hafenviertels wäre es töricht, das Haus jetzt zu verkaufen. Nach Brins Tod hatte sie die Parterrewohnung an ein Ehepaar mittleren Alters vermietet, das pünktlich seine Miete zahlte und alles im Auge behielt, wenn sie auf Reisen war. Damit war allen gedient, und sie würde nichts daran ändern. Sicher würde sie irgendwann einmal Erholung von Belvedere brauchen – undwelcher Ort wäre dazu besser geeignet als Sydney? Da könnte sie mit Rosa ins Theater und ins Ballett gehen, vielleicht sogar in die Oper, sie könnten zusammen einkaufen, Boot fahren und die Kunstgalerie und das Museum besuchen.
Catriona schloss die
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